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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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sprechen.« Dann wandte er sich an die versammelten Männer. »Lasst de Clare und seine Freunde gehen, das ist ein Befehl.« Und zu Simon mit diesem unerträglich nachsichtigen Lächeln: »Henry Plantagenet ist kein Umgang für Euch, mein Junge. Glaubt mir, Ihr wäret wirklich am besten im Kloster aufgehoben.«
    Simon nickte mit versteinerten Kiefermuskeln. »Danke, Sire.« Mit einer spöttischen Verbeugung verabschiedete er sich von Eustache.
    Der knurrte: »Wir sehen uns wieder. Ich schulde dir noch was.«
    Ein Wachsoldat begleitete Simon in den Burghof hinaus und berichtete seinen Kameraden, was der König befohlen hatte. Achselzuckend begleiteten die Männer Simon daraufhin zum Pranger. Ein ungemütlicher Herbstwind hatte sich zu dem Nieselregen gesellt, und es war sehr finster. Doch zwei der Wachen hatten Fackeln, die im Regen zischten und qualmten, und in ihrem Schein erkannte Simon die reglosen Gestalten.
    »Godric? Wulfric?«
    »Ich glaube, er ist tot«, sagte Wulfric. Seine Stimme klang tief und rau.
    »Kannst du stehen?«
    »Denk schon.«
    Simon machte eine energische Handbewegung. »Schneidet sie los, gebt mir eine der Fackeln, und dann verschwindet.«
    Einer der Soldaten zückte seinen Dolch. Wulfric befreite er als Ersten, der langsam die gefühllosen Arme sinken ließ und dann leicht schwankend, aber sicher stand. Godric sackte in sich zusammen, als seine Fesseln gelöst wurden. Simon war zur Stelle. Er fing ihn auf und legte sich seinen Arm um die Schultern. Dann nahm er die Fackel entgegen, wartete, bis die Wachen sich entfernt hatten, und nickte Wulfric zu. »Lass uns gehen.«
    »Wohin? Und wozu eigentlich? Ich kann mich kaum rühren. Haimon hat uns das Fell gegerbt, und danach war er noch lange nicht fertig und …«
    »Haimon ist tot, Wulfric.«
    »Oh. Gut.«
    »Jetzt komm.«
    Wulfric rührte sich immer noch nicht. Auch er stützte seinen leblosen Bruder, aber er hielt den Kopf gesenkt, wagte scheinbar weder Godric noch Simon anzusehen. »Ich hab Angst«, flüsterte er.
    »Ja. Ich auch. Lass uns trotzdem gehen. Du willst nicht hier sterben, oder?«
    Wulfric schüttelte den Kopf und machte einen kleinen Schritt vorwärts. Er unterdrückte ein Stöhnen und wankte kurz, aber dann machte er noch einen Schritt.
    Weit kommen wir so nicht, dachte Simon mutlos.
    Doch das mussten sie auch nicht. Auf der anderen Seite der Zugbrücke wartete eine dunkle Gestalt am Wegrand, von deren Kapuze es stetig tropfte. »Gott. Ich fing an zu glauben, ihr kommt nicht«, murmelte eine vertraute Stimme.
    Simon kniff für einen Moment die Augen zu. »Alan …«
    Im flackernden Fackelschein sahen sie einander in die Augen. Dann betrachtete Alan die Zwillinge. Godric hatte die Lider geschlossen, und sein Gesicht wirkte wächsern. Er hatte nicht nur aus den Ohren, sondern ebenso aus Mund und Nase geblutet.
    Wortlos legte Alan dem anderen Zwilling die Hand auf den Arm.
    »Ist er tot?«, fragte Wulfric erstickt.
    »Noch nicht. Kommt da lang, ich habe einen Wagen.«
    Er übernahm Godric von Simon, der keine Einwände erhob, denn seine Beine trugen ihn selbst kaum noch. Mit erhobener Fackel ging Simon neben ihm her. »Du hast Stephen den Boten geschickt?«
    »Ich war der Bote.«
    »Wie … wer …«
    »Becket hat mir erzählt, wohin ihr wolltet. Und ich bekam ein mieses Gefühl.« Sie hatten den Wagen erreicht. »Kannst du klettern, Wulfric? Simon und ich heben Godric hinauf.«
    »In Ordnung.«
    Es wurde eine schwierige und schmerzhafte Prozedur, aber schließlich lagen die Zwillinge auf der Ladefläche, und Alan breitete eine Felldecke über sie. Wulfric sah ihn stumm an.
    »Wer hat das getan?«, fragte Alan.
    »Haimon.«
    »Ich hab ihn getötet«, sagte Simon zu Alans Rücken.
    Alan fuhr zu ihm herum, und alles, was im schwachen Licht von seinen Feenaugen zu sehen war, war ein Funkeln. Es war unmöglich zu erraten, was er empfand. Schließlich nickte er knapp. »Sitz auf.«
    Simon schwang sich auf den Bock. »Wohin fahren wir?«
    »Nach Norwich.«

Norwich, Oktober 1152
    »Tu es, Josua«, drängte Alan leise. »Es ist doch sinnlos, länger zu warten.«
    »Nein.« Wulfric schüttelte wütend den Kopf. »Es würde ihn umbringen.«
    Dein Bruder stirbt so oder so, dachte Alan, aber er sagte es nicht. Sie führten diese Debatte nicht zum ersten Mal.
    Es war schon ein kleines Wunder, dass Godric noch lebend in Norwich angekommen war, denn sie hatten über eine Woche gebraucht. Mehr als zwanzig Meilen pro Tag waren bei dem

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