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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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gefährlich.
    »Aber das hättest du gern, nicht wahr?«
    Losian warf ihm einen finsteren Blick zu, schlang Guy de Laigles Mantel fester um sich und schritt schneller aus.
    »Das ist wohl Antwort genug«, murmelte Regy amüsiert.
    Da hat er verdammt recht, dachte Simon, und er verspürte den Drang, mit den Fäusten auf Losian loszugehen. Dessen Lüsternheit verdankten sie also, dass Hunger und Not sie wieder bedrohten und sie wie Gesetzlose durch die Wildnis streiften. Aber Simon beherrschte sich und schluckte seinen Zorn hinunter. Losian hätte ja doch nur Kapital daraus geschlagen, ihm womöglich gar unterstellt, ein verwöhntes Herrensöhnchen und ein Feigling zu sein, der sich lieber im Haus eines Juden verkroch, als der Welt die Stirn zu bieten.
    Dabei war es in Wahrheit nicht die Furcht vor ihrer ungewissen und wenig rosigen Zukunft, die Simon so wütend machte, sondern die Tatsache, dass schon wieder andere über sein Schicksal bestimmten. Er war Simon de Clare, hätte von Rechts wegen Eigentümer eines stattlichen Gutes sein müssen und war darüber hinaus alt genug, um für König Stephen in den Krieg zu ziehen. Stattdessen war er hier, mit diesen traurigen Gestalten. Hätte er sich in Norwich von seinen Gefährten lossagen und sein Glück fortan lieber allein versuchen sollen? Er war schließlich schon einmal ohne Schutz und Begleitung durch halb England geritten. Warum hatte er gezögert? Der König hatte Weihnachten in Lincoln verbracht, wusste Simon, und auch wenn Stephen gewiss nicht mehr dort war, hätte Simon in Lincoln wahrscheinlich in Erfahrung bringen können, wo er sich befand. Es beunruhigte ihn, dass er es vorgezogen hatte, mit diesem jämmerlichen Häuflein menschlichen Treibguts durch Norfolk zu irren. Er wusste, hätte er seine Gedanken King Edmund anvertraut, hätte der ihm versichert, dass Gott seine Schritte lenke und mit allem eine Absicht verfolge. Aber King Edmund war verrückt. Man neigte dazu, das zu vergessen, doch die Tatsache blieb. Und Simon hegte die Befürchtung, dass es nicht Gottvertrauen war, das ihn hierher in diese trostlose Wildnis geführt hatte, sondern der befremdliche Umstand, dass er sich seinen sonderbaren Gefährten näher fühlte als König Stephen und seinem gerechten Krieg.
    »Wir bekommen Regen«, sagte Luke und brach damit eine lange Stille.
    Simon schaute auf. Der angelsächsische Bauer hatte zweifellos recht, musste er feststellen. Der Himmel, der den ganzen Vormittag schon grau gewesen war, hatte sich bedrohlich verfinstert, und der kalte Wind war merklich schneidender geworden.
    »Wir sollten einen Schritt zulegen«, riet King Edmund. »Hinter dieser Hügelkette dort drüben liegt ein Wald. Unter den Bäumen können wir Schutz suchen.«
    »Woher weißt du, dass dort ein Wald liegt?«, fragte Simon.
    »Weil dies hier meine Heimat war, mein Sohn. Wir haben die Sümpfe vorerst hinter uns gelassen, und diese Straße führt zu einer Furt durch den Yare.«
    »Straße?«, murmelte Simon skeptisch vor sich hin, aber er verkniff sich eine bissige Bemerkung, denn King Edmund war immer noch grantig.
    »Wir werden nicht schneller gehen, und wenn die Sintflut kommt«, beschied Losian. »Vergesst nicht, was Josua ben Isaac gesagt hat: Oswald darf sich nicht anstrengen.«
    Niemand widersprach. Sie behielten ihr gemächliches Tempo also bei, und als sie die Kuppe der sachten Hügelkette erklommen hatten, öffnete der Himmel seine Schleusen. In Windeseile verwandelte die »Straße« sich in zähen Morast, und die Wanderer kamen noch langsamer vorwärts, doch gegen Mittag erreichten sie den Rand des Waldes.
    »Du hast ein gutes Gedächtnis, King Edmund«, befand Simon.
    Doch ihr Heiliger ließ sich mit Schmeicheleien nicht besänftigen. »Was für ein König wäre der, der sein Land nicht kennt?«, entgegnete er streng.
    Simon nickte und tauschte einen Blick mit Losian. Es geschah versehentlich, aber ehe einer von beiden es verhindern konnte, hatten sie ein verstohlenes Grinsen getauscht.
    Die Bäume des Waldes zeigten den ersten zartgrünen Schleier, doch das Laub war noch zu spärlich, um sie vor dem Regen zu schützen. Sie waren alle bis auf die Haut durchnässt. Es tröpfelte aus Haaren und Mänteln, und Luke und Oswald klagten über die bittere Kälte.
    An einem Dickicht aus Haselsträuchern hielt Losian schließlich. »Wir schneiden Zweige und flechten ein Dach. Wer weiß, wie man das macht?«
    »Ich«, sagten die Zwillinge und Luke.
    »In Ordnung. Godric, Wulfric,

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