Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)
ich werde es sein, die um ihn weint.«
»Und ... die der Versuchung widerstehen wird, ihn zu retten ...?«
»Ja. Denn wenn er eines Tages das Spiel verliert, werden er und ich Menschen werden. Wir werden alt werden und sterben, und all das zusammen.«
»Entschuldigt, ich möchte nicht zu aufdringlich werden, aber ... Ihr liebt diesen Bastard?«
»Für jemanden, der nicht zu aufdringlich werden möchte, hast du dich erschreckend schlecht in der Gewalt.«
Hiob machte hastige Gesten der Reue und erhob sich. In seinen Hintern kribbelte Blut zurück, seine Geruchsknospen hatten schon lange keine Kraft mehr, weiße Tücher zu schwenken, und er merkte erst jetzt, dass seine Achselhöhlen und Schläfen mit dickem Schweiß überzogen waren. Er ging steif zur eng wirkenden Tür, die massige Gestalt folgte ihm dünstend.
»Eine Frage habe ich noch«, fiel ihm ein.
»Ja?«
»Bin ich eigentlich immer darauf angewiesen, dass NuNdUuN mir die Prognostica nennt? Ich meine, es gibt doch so viel morbide Scheiße auf der Welt – da kann es doch nicht allzu schwer sein, selbst ein Prognosticon zu entdecken.«
»Wenn du selbst eins entdeckst und angehst, hat der Meister keine Gelegenheit, Fußangeln für dich auszulegen.«
»Genau.«
»Es steht nirgendwo geschrieben, dass dir das verboten ist. Du solltest dich nur vorher kundig machen über die Bewertung. Sonst könnte es dir passieren, dass du dich an einer Periphererscheinung aufrauchst und hinterher nicht mal einen Punkt bekommst.«
»Haben Sie denn ein Telefon hier, Ehrwürdigste?«
»Ts, ts, ts. Für einen Adepten bist du erschreckend tatendurstig.«
»Ich bin ja auch kein gewöhnlicher Adept. Ich bin der, der es schaffen wird. Sie haben hier die einmalige Gelegenheit, mich noch vor meiner Machtergreifung live zu erleben.«
Sie lachte meckernd und furzte dabei im Rhythmus mit. »Du kannst mich mit einem einfachen Hol-aus-schütt-zurück-Ritual erreichen. Das ist besser als Telefonieren.«
»’kay. Sie sind hochkorrekt, Verehrteste.«
Er küsste sie auf die schwammige Wange. Sie stand noch in der Tür, als er schon auf dem Weg war, dann schüttelte sie den Kopf und schloss ab.
Hiob genoss ein paar Minuten lang die verhältnismäßig paradiesische Luft am ruhigen Seeufer, unterließ es aber, wie ein Musikvideostar flache Steine übers Wasser zu werfen.
Komisches Geschöpf, dachte er über die Gevicius nach. Sie ist bei Weitem nicht die einzige Beisitzerin, die es gibt, und dennoch bildet sie sich ein, in der Ewigkeit mit NuNdUuN verbunden zu sein.
Dachten die anderen Verwalter des Wiedenfließes vielleicht genauso?
War es möglich, dass NuNdUuN, der das übelste und destruktivste Geschwür war, das am Wesen unsrer Welt riss, sein Reich durch Liebe regierte?
Quatsch. Blödsinn. Sei kein Trottel, Mann.
Auf dem Weg ins nächste braunkohleverkrustete Dorf jonglierte er noch ein bisschen mit den Namen herum, die die Beisitzerin ihm gegeben hatte, und das brachte nun wiederum so eine Art Hochgefühl hervor.
Gandhi. Lenz. Jeanne D’Arc. Die Deren.
Das war doch nun wirklich schon ziemlich Top of the World, Ma .
Das Licht in Großvater Montags Zimmerchen war typisch für Frohnau. Es war märkischer Sand, gefiltert durch die Allgegenwart schiefer Kiefern. Es war gebogen und ineinander verschlungen wie die Straßen und Wege hier und hatte auch noch nicht die Härte einer zivilisierten Asphaltdecke. Dieses Licht war lange Zeit Exklave gewesen. Jetzt musste es damit fertig werden, dass die Befestigungen gewichen waren, dass alte Bilder fielen und nach außen hin alles offen war.
Großvater Montag saß am Fenster und schaute grimmig hinaus, das wenige verbliebene weiße Haar wirr über den ansonsten kahlen Schädel gekämmt, das Kinn im Gegenlicht von weißen Nadelstoppeln umkrautet. Der alte Magier hatte immer noch das markante, hagere Rathbone-Gesicht, auch wenn man hier im Heim darauf bedacht war, die Schutzbefohlenen in adrette, langweilige Kluft zu stecken, um ihnen die individuellen Kanten abzuschleifen. Hiob saß auf dem harten Bett und kramte sich umständlich das Geschenk aus der Manteltasche.
»Ich hab dir Tabak mitgebracht. Der Heilige hat ein bisschen was von seinem Menali reingetan. Du wirst nachts ’ne Sonnenbrille brauchen, wenn du das geraucht hast.«
»Sie werden’s mir wegnehmen. Sind noch raucherfeindlicher geworden, seit Raucherfeindlichkeit gesellschaftsfähig geworden sind.«
»Versteck’s halt.«
»Sie durchsuchen jede Woche mein Zimmer.
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