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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Blätter,
    den schweren, betörenden Duft exotischer Blumen,
    den scharfen, harzigen Geruch von Föhren.
    Die Blumenbeete dort draußen – verwildert, verwaist.
    Könnte ich hingehen, sie hegen und pflegen, mich bücken, dort knien.
    Eine Hacke, eine Schaufel – könntest du mir das anvertrauen?
    Ich gehe auf die Knie,
    betaste den kühlen Boden mit meinen Händen –
    Erinnerung wird Gegenwart.«
    »Der alte Mann benimmt sich wieder verworren – medikamentiert ihn!«
    American Journal of Nursing



Prognosticon 3: Ars Moriendi – Eine Liebesgeschichte

a) Kinder der Zei t
    Tagebuch von Bernadette Jurow, 21. Dezember 1992:
    Ich wette, es ist schon anderen vor mir aufgefallen
    dass Leben
    wenn man es in der Rückschau betrachtet
    Nebel
    ergibt.
    Aber kann man etwas dagegen tun?
    Tagebuch von Bernadette Jurow, 26. Dezember 1992 :
    Ich will mich verlieben.
    Ich will mich verlieben so heftig, dass ich alles andere vergesse, alles hergeben kann, was ich besitze, alles aufgeben kann, was ich jemals plante. Ich will so heftig lieben, dass mir Blut aus den Poren schwitzt. Wo ist der Mann, die Frau, der/die alles von mir fordert? Der/die die ganze Bernadette will und braucht, und nicht nur meine Worte oder meine Taten oder meinen Körper? Was muss ich tun, um zu finden? Inserieren? Wo? In der Hölle?
    Tagebuch von Bernadette Jurow, 28. Dezember 1992 :
    Ich hasse die Art, wie jeder meiner Einträge in letzter Zeit mit einer Frage endet. Ich hasse mich, ich hasse das Leben, und dich, du Vertrauen und Verstehen heuchelndes Tagebuch, dich hasse ich ganz besonders.

Bernadette war Schauspielerin.
    Sie war von kleiner Statur, schmal und feminin, und ihr langes schwarzes Haar brachte ihre orientalischen Augen und sinnlichen Lippen auf eine Weise zu leuchtender Geltung, die es Männern im Allgemeinen schwermachte, ihr etwas abzuschlagen. Ein melancholischer und im Großen und Ganzen vollkommen unfähiger Poet aus der Social-Beat-Tradition, inklusive ringewerfendem Bauchansatz und phlegmatischen Bewegungen, hatte sich unsterblich in sie verliebt, war ihrem hochhackigen, verrückt machenden Gang wochenlang gefolgt, dann ungefragt und ungeduldet zu ihr gezogen und schrieb ihr nun kleine Stücke auf den Leib. So spielte sie hier, in Berlin, in Off-Off-Off-Boulevardtheatern in Kreuzberger Hinterhofetagen oder Live-Show-Kellern an der Lietzenburger, spielte im »Salmonellentango« die Sklavia – und musste sich dabei Abend für Abend mit einem lispelnden Möchtegernburgschauspieler duellieren – balancierte in »Königin der Teilbarkeit« neunzig Minuten lang nackt auf einem großen Ball und schrie dilettantische Monologe aus sich heraus, bis sie vor Schmerzen anfing zu zittern. Die Königin hatte im Durchschnitt sieben Zuschauer, die sich auf den fünfzig Sitzen großzügig verteilten und nur zu lachendem Leben erwachten, wenn Bernadette vom Ball rutschte und klatschend hinfiel. Vierzehn gierige Augen hingen dann an ihren Schamlippen wie Fliegen an einem Honigstreifen, und Bernadette ließ sie lächelnd dort verenden.
    Sie war Exhibitionistin, irgendwie, aber eigentlich nicht für die schläfrigen Intellektuellen in ihren schwarzen Rollkragenpullovern da unten oder die hornbebrillten, kurzhaarigen Studentinnen. Bernadette hatte mehr übrig für schwitzende Bauarbeiter, unter deren Gerüsten sie herumstrich, oder die präejakulative Aufladung eines Headbangerkonzerts, oder Gruppen von muskulösen Jugendlichen auf der Suche nach einem guten Kampf, einer schönen Frau oder einem heroisch ertragenen Tod in den abendlich flackernden Straßen der Stadt. Sie war bereit, ihre Seele in die Waagschale zu werfen für einen wirklich aufregenden Kick, aber niemand schien mit so einem entschiedenen Angebot etwas anfangen zu können. Niemand war ihr gewachsen. Und so hatte sie an den meisten Tagen das Gefühl, dass ihr Körper von einer engen Latexschicht umgeben war, die sich schmerzhaft zusammenzog, wenn sie sich bewegte oder streckte. Niemanden, den sie berührte, berührte sie wirklich, niemand, mit dem sie sprach, konnte sie richtig verstehen.
    Bernadette war einsam, ihr Körper schrie um Hilfe, ihr Geist tanzte in den Scherben der Hysterie.
    Arne, der Schreiber, der so viel Rotwein trank, dass selbst seine Pisse rot war, hing dauernd in ihrer Wohnung herum, nervte sie mit seinem unausgegorenen Welthass und wollte dauernd vögeln. Er war nicht wirklich eine große Hilfe, tippte pro Woche ein paar Zeilen seines »großen Romans« weiter und

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