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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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versprach ihr fast täglich, dass er noch ein Stück für sie schreiben würde, das sie so berühmt machen würde wie Edith Clever oder Valeska Gert oder wer auch immer. Wenn sie ihn dann fragte, wie das Stück denn heißen würde, sagte er nur immer leise »Ich liebe dich« und machte dabei ein so mieses Gesicht, dass sie ihm einmal ein Brotmesser dicht an den Nieren vorbeischraubte. Als er danach auf den grauen Fliesen saß und mit seinem eigenen Blut ihren Namen an die Spüle schrieb, empfand sie das erste Mal überhaupt so etwas wie Respekt für ihn, aber Liebe, echte Liebe konnte das nicht sein. Er war ein Versager, und sie war ein nocturner Engel, und sie blieb bei ihm nur aus Verzweiflung.
    Sie führte Tagebuch, etwas, das sie seit ihrer Kindheit nicht mehr getan hatte. Es war ein kleines, rotes Monument des Hasses, das nur ihr gehörte und das ihr ein wenig half, so wie Bullrichsalz einem hilft, wenn man sich überfressen hat. Sie schrieb Tötungsphantasien hinein und malte hässliche Skizzen von Foltern. Sie hatte Ideen, was Sex anging. Pferde spielten eine Rolle und Blut, blutende Pferde dann auch, inspiriert von dem Pferderipper, den sie nie schnappten. Der Eintrag darüber, wie sie Arne während des Fickens töten würde, war sechs Seiten lang. Eine Stacheldraht-und-Säure-Phantasie über ihre aller Kleidung und Vererbbarkeiten beraubten gutbürgerlichen Eltern reichte nur für drei.
    Einmal, gegen fünf Uhr morgens im Dezember, zerbiss Bernadette in einer Bar einem Fremden beim Küssen die Lippen, schlürfte Blut und Hautfetzen in sich hinein und liebte für lange Sekunden sein Schreien.
    Ihr Tagebuch war scheiße, und sie hasste es. Sie hasste jede Art von Phantasie. Sie hasste Arne so sehr, dass es ihr fast kam, wenn sie ihn sah.
    Das half ihr über Weihnachten hinweg. Danach wurde alles schlimmer, denn der erste Januar des Jahres 1993 brachte grausam lächelnd mit sich den unabwendbaren Vorschatten ihres dreißigsten Geburtstages.
    In ihrer Not wandte sie sich an Arne, fragte ihn um Hilfe und Rat wie ein kleines schüchternes Mädchen, und er versuchte sie zu trösten, indem er ihr sagte, dass er sie auch noch als Leichnam vögeln würde, aus dem die Würmer quollen und bei dem das Fleisch faserig aufbrach. Sie lachte schrill und ging rückwärts von ihm weg bis fast ganz aus dem Fenster, aber so zwischen den Mülltonnen im Hinterhof wollte sie dann doch nicht sterben.
    Der Winter ging, die scharfkantige 30 kam, und gar nichts sonst passierte. Überall fielen ihr die Tempo-30-Schilder an den Straßen auf, die Fernsehserie thirtysomething berührte ihr Herz und brachte sie zum Weinen, sie legte dreißig weiße Rosen auf das Grab einer Frau, die ihren Vornamen hatte, und starrte in das Gesicht von Rentnerinnen, auf der Suche nach dem Schmerz, der Agonie des Zerfalls, aber da war nichts, nichts zu finden, alles ging seinen Gang, ging langsam, schlurfend vorwärts, nichts regte sich noch über irgendwas auf, die Polkappen schmolzen noch nicht und rissen noch nicht alles in die Fluten.
    Die Vormittage vor den Proben verbrachte sie im Zoo, bei den Zebras und den Przewalskipferden, und in der Deutschlandhalle war ein großes Springturnier, wo sich die Pferde mit klebrigen Tränen in den Augenwinkeln über Doppeloxer und Dreifachkombinationen schinden mussten. Bernadette träumte von kopulierenden Zebras, deren Schwarz und Weiß sich so ineinanderscheuerte, bis eines weiß und das andere schwarz war und beide somit auf ewig getrennt. Splatterpunkstories in hastig vermarkteten Anthologien waren das einzige Medium, das sie noch interessierte.
    Eines Abends im April kam sie von einer Probe, die sie wegen Herzrasens früher als sonst verlassen hatte, nach Hause und ertappte Arne dabei, wie er sie mit ihrem Tagebuch betrog. Er lag auf dem Fußboden, las ihre innersten Träume und onanierte dabei. Sie leerte den Mülleimer über ihm aus, schrie wie von Sinnen, schüttete Fertigsuppen-, Backmischungs- und Puddingpulver über sie beide, zerrte seinen Kopf in den Gasofen, ließ das Gas an, schlüpfte zu ihm nach Dachau und liebte ihn wie nie zuvor, wild und tödlich und Tier bis zur totalen Erschöpfung, bis ein Nachbar sie fand und beide wegen Gasvergiftung ins Krankenhaus kamen. Bei einer Blutentnahme nuckelte sie lächelnd an ihrer eigenen Kanüle, den Kreis geschlossen, autark.
    Arne und sie waren einander näher danach. Bernadette entwickelte auch wieder Phantasien, träumte davon, Arne zu bumsen, ihn dann zu

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