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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Arne das beabsichtigt hatte. Er hatte einfach, beeinflusst von Bernadettes Splatterpunk-Lektüren, angenommen, dass man mit einer unzusammenhängenden Anhäufung von Gewalt, Obszönitäten, Pornographie, Blasphemie und Horror-Schocks in den marktgesättigten 90ern noch am ehesten zum kommerziellen Durchbruch kommen könnte, und sich dabei gehörig verrechnet. Oder aber seine Rechnung war richtig und nur sein Talent einfach nicht vorhanden. Jedenfalls schaffte nicht einmal Bernadette es, dem Buch auch nur den mindesten Kitzel abzuringen, die neu gewonnene Position als »Veröffentlichter« und »Kommender Mann« jedoch erlaubte es Arne, beim Rudel stolz und gewichtig aufzutreten. Irgendwelche wahllos umherverschwendeten Stipendien im Fahrwasser des »Babyficker«-Skandälchens würden sich mit Sicherheit demnächst an Land ziehen lassen, und der heruntergekommene Jurow-Wohnhirt-Haushalt konnte somit das Budget für die Anschaffung bizarrsexueller Accessoires erhöhen.
    Trotzdem war die erstaunlichste Erfahrung, die das Rudel im Laufe des kommenden Halbjahres machte, die, dass sich sexuelle Variationen erschreckend schnell erschöpfen.
    Nicht, dass es nicht eine extreme Zeit gewesen wäre.
    Sie probierten alles aus und taten alles miteinander und an allen erdenklichen Orten. Bernadette hatte schon immer die sogenannten Sadomasochisten verachtet und verspottet, die so clean und bieder darauf achteten, dem anderen ja nicht wehzutun, ja keine Grenzen zu überschreiten, dass sie in der Gerngesehenheitshierarchie des Talkshowwesens schon sehr schnell von den ersten verschämten Nachmitternacht-Outings Richtung familienkompatibles Kinderprogramm gerutscht waren. Diese Leute fürchteten im Grunde nichts mehr, als als anormal bezeichnet und gesellschaftlich nicht anerkannt zu werden, genau wie die Schwulen oder die Ausländer. Im Rudel dagegen sollte mit der Gesellschaft gebrochen werden. Grenzen wurden nicht nur überschritten, sondern regelrecht gesprengt, das war integraler Bestandteil der Gesamtidee. Sonja wurde einmal derart hart gefoltert, dass sie danach zwei Wochen krankgeschrieben werden musste, aber sie liebte es und verlangte mehr. Dirk-Daniel lebte seine bisher verborgen gehaltene Tendenz zur Koprophagie in immer neuen Variationen immer heftiger aus und steckte damit phasenweise auch die anderen an. Anfangs wurde die gesamte Wohnung von Bernadette und Arne noch mit Plastikfolien und roten und schwarzen Polykunststofflaken ausgekleidet, damit nichts mehr Flecken hinterlassen konnte und alles spontan erlaubt war. Später wurde es dann reizvoller, auf nichts mehr Rücksicht zu nehmen und die Einrichtung dauerhaft und grob zu verschmutzen. Nachdem Dirk-Daniel nach Berlin umgesiedelt war, zogen Bernadette und Arne zu ihm, und die ursprüngliche Wohnung wurde jetzt nur noch zu Zwecken der Ausschweifung aufgesucht und dementsprechend umgestaltet. Bisexualität wurde ein genauso überkommenes und verlachbares Konzept wie der Blümchensex der Bürgerlichen. Sie waren fünf Personen, fünf Körper, fünfmal Sexus, und so wurde dann auch jeder von ihnen quintsexuell.
    Aber der menschliche Körper hat nun mal nur eine begrenzte Anzahl von Körperöffnungen und -funktionen, und die Variationsmöglichkeiten von fünf in fünf potenzieren sich auch nicht gerade in schwindelerregende Höhen, und obwohl der Markt dafür groß genug ist, um mehreren miteinander konkurrierenden Hilfsmittelfabrikanten das Reichwerden zu ermöglichen, erschöpften sich schon nach etwa sechs Monaten die Ideen und Innovationen zu einer für alle Beteiligten quälenden Routine. Drogen kamen ins Spiel, die den Hormonen noch einmal ganz neue Kräfte wiesen, aber mit je mehr Chemie und Plastikschläuchen die verschwitzten, klebrigen Leiber inwendig aufgepumpt wurden, desto exponentieller stieg auch die Bereitschaft zum Überdruss und die weinerlich verzweifelte Hetze nach Neuem. Die Orgasmen waren ein nadelspitz verzücktes Taumeln in den Gummiparadiesen einer Kontra-Anti-Extrawelt, die Zeiten danach und dazwischen nur verzogenes Ersaufen in der Breisuppe der Realität. Alles war wahr und nichts von Belang. Hunger wuchs.
    Zugriff auf Medien hieß der nächste Schritt. Tekkno war am naheliegendsten. Die hochgedrillten entrhythmisierten Beats bar jeglicher organischer Komponente, ohne Raum und ohne Entwicklung, peitschten die rotverschwitzten Leiber in- und übereinander, bis Orgasmen durch das Erbrechen von Sauerkrautsaft angekündigt wurden. Später

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