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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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letzten mündlichen Prüfung ab, und da musste ich sogar noch mogeln, um sie zu bestehen. Ich hatte, besonders in den letzten Jahren, die Fähigkeit verloren, mich auf den ganzen kleinkarierten Schulscheiß zu konzentrieren. Ich bereitete mich ja schließlich auf Größeres vor.«
    »Warst du ein guter Schüler?«
    »Ich kam durch, sagen wir’s so.«
    »Komisch. Wenn man bedenkt, dass du dich so gerne als ›konservativ‹ und ›Aufsteiger‹ bezeichnest, hätte es mich nicht gewundert, wenn du ein kleines Streberlein gewesen wärst.«
    »Willst du mich beleidigen? Ich habe nie gestrebt. Die meisten Lehrer waren für mich Arschlöcher. Und die einzigen Mitschüler, für die ich etwas übrig hatte, waren die Nonkonformisten, die, die sich nichts sagen ließen. Das waren dann eben die, die auch einer nach dem anderen sitzen blieben und mich allein ließen. In der Oberstufe war dann keiner mehr übrig, der wirklich cool war, denn die hatten alle spätestens mit sechzehn die Schule geschmissen. In den Abitursemestern war ich ganz alleine unter lauter Speichelleckern. Es war zum Kotzen. Ich ging mit Freuden hier runter, danach.«
    »Eigentlich ist es erschreckend. Ich meine, wie man so zum Magier wird. Wie normal das passiert. Ich zum Beispiel habe alles anders gemacht als du. Mit zwölf bin ich schon aus meinem muffigen katholischen Zuhause in einem Nest im Süden abgehauen und seitdem nie wieder zur Schule gegangen. Ein junger Mann, der zehn Jahre älter war als ich und der mich sehr, sehr sanft entjungfert hat, hat mich zum Okkultismus hingeführt. Er war sehr schön. Er war alles, wovon ein kleines, wildes Mädchen träumen kann. Danach war ich Straßenhändlerin für selbstgemachten Schmuck, Stripperin, Fotomodell und immer wieder Schauspielerin im Theater. Immer mehr Theater. Da bin ich dann hängen geblieben. Und Bücher über Übernatürliches waren meine Schule, so lange, bis mir die Theorie nicht mehr gereicht hat.«
    »Der junge Mann, der Okkultist – lebt er noch?«
    »Nein. Er starb, als ich siebzehn wurde. Er fiel aus dem Fenster, als er eine Vision von einem weiblichen Engel hatte.«
    »Sah er mir ähnlich?«
    »Nein. Er war ganz anders als du. Viel hagerer, bleicher, mit hellen Haaren, die wie Stroh waren, genauso farblos, genauso struppig.«
    »Ich frage deshalb, weil ich auch mit einer Okkultistin zusammen war. Sie war meine erste Liebe. Wir waren beide vierzehn. Sie sah dir ähnlich.«
    »Echt?«
    »Hm-m.«
    »Bin ich ein Ersatz für sie?«
    »Nein. Du bist nicht genau wie sie. Nur ähnlich. Vollkommen verrückt halt.«
    »Das gefällt dir an Frauen.«
    »Es gibt nichts Langweiligeres als adrette, gut gelaunte Frauen.«
    Sie lachte. »Du machst mich gut gelaunt. Also zerstörst du meinen Zauber.«
    »Wer weiß.«
    Sie nahm ein altes, in Schweins- oder ein anderes Leder gebundenes Pergamentbuch und blätterte zwischen den ganzen frakturbeschriebenen Seiten und Kupferstichen und Holzschnitten hin und her. »Hast du das alles gelesen?«
    »Vieles davon. Zwei Jahre sind eine unglaublich lange Zeit, wenn man gar nichts anderes zu tun hat. Irgendwann kommst du auf die Idee, dir jeden Tag ein anderes Buch zu greifen und ein paar Stunden lang darin zu lesen, und ehe du dich versiehst, hast du siebenhundert Bücher durch. Es kommt nicht darauf an, jedes Buch von Anfang bis Ende durchzulesen. Es geht um eine Impression. Dadurch hast du als Scholast viel mehr Möglichkeiten, eigene Zwischenräume zu entwickeln. Und genau darum geht es ja bei einer solchen Initiation: das Entstehen eines eigenen Raumes, eines eigenen Wertes. Ich habe ungeheuer viel Zeit im Schneidersitz im Pentagramm verbracht, einfach nur meditierend und Radio hörend.«
    »Radio hörend?«
    »Ja. Das ist eigentlich nicht erlaubt. Das heißt, es ist eigentlich nicht Bestandteil der Initiation. Es ist aber auch nirgendwo ausdrücklich verboten. Ich war einfach der Meinung, dass es mich mehr in Gleichklang bringen würde mit meiner, unserer Zeit. Deshalb schmuggelte ich einen Radiowalkman mit runter. Ich hörte alle möglichen Sender, in allen möglichen Sprachen, stundenlang. Der Empfang war erstaunlich gut für ein Grab. Und nachts das Weiße Rauschen. Atemberaubend.«
    »Drogen?«
    »Auf gar keinen Fall. Das ist nun wirklich total verboten. Das würde auch alles kaputt machen. Der Körper muss eigene Endorphine und Halluzinogene produzieren, und das tut er auch, nach etwa acht Monaten Seklusion. Es ist wie eine Selbstreinigung. Eine Reinigung

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