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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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dann versprengten sie sich langsam, fanden Passagen nach hier und da. Ilion brannte am Horizont, und die Götter wandelten unter den Menschen. Körper und Geist waren Liebende, für Vampire gefährliches Terrain. Während der großen Völkerwanderungen gab es dann ganze Stämme von Skiren und Cimbern, die fast ausschließlich aus Vampiren bestanden und die an Ausbreitungen nach Osten und Süden maßgeblich beteiligt waren, bis die Hunnen kamen und mit ihnen die uralten Techniken der Sonnenfolter. Das Zeitalter der großen Eroberungen, der überlebensgroßen Menschen, Griechen und Römer, Ägypter und Chinesen, fand die Vampire nur vereinzelt, verängstigt, spießrutenlaufend zwischen all den Fallen und Fährnissen, die jene Tage ihnen bereithielten. Einige fanden im tiefsten Afrika Heimstätten, andere trieb es nach Norden, wo sie Walrossjäger schlugen und wie Schneedämonen lebten. Die Blütezeit der Vampire dämmerte erst mit dem Mittelalter herauf, fast 900 Jahre, nachdem einer von ihnen am Kreuz eines verklärten Schwächlings geleckt hatte und nichts geschmeckt hatte außer Pein und Furcht. Romanik und Gotik fanden sie huschend und prosperierend zwischen den aufstrebenden Kathedralenverzweigungen. Ihr Biss übertrug die Pest, ihr Lecken den Typhus, und es wurden Jahrzehnte, Jahrhunderte der Varianten und der Ausschweifung.
    Dann aber kam jener, und er kam aus Burgund, war aber nicht dort geboren, dessen Name noch heute Schmerzen birgt für jeden Vampir: Akamas der Rasende, Akamas der Vampirschlächter. Er war einer, der das Spiel spielte mit NuNdUuN, und er spielte es nach seltsamen, eigenen Regeln. Er hatte keinen Blick und keine Geduld für Prognostica, Manifestationen oder Inundationes. Seine Regeln waren einfach und eindeutig: Für jeweils 700 erschlagene Vampire bekam er einen Punkt. Und er verdiente sich acht Punkte, bevor es einem der letzten Verbliebenen gelang, auch Akamas in einen Vampir zu verwandeln, und Akamas sich selbst tötete, indem er sich von der Sonne fressen ließ. Als der Vampirschlächter gestorben war, gab es keine fünf Vampire mehr auf dieser Welt, und mehr als zweihundert Jahre lang blieb das auch so. Erst der Dreißigjährige Krieg und seine blutverfärbten Küsten schufen wieder Nährgrund für Halbwesen. Im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert gab es tatsächlich jene Zeit des gesellschaftlich akzeptierten Vampirismus, von der die vorgeblichen Fiktionen noch heute künden. Im Kontinent des Westens gab es vampirische Outlaws, die von Postkutschen lebten, und einige Stämme der Ureinwohner, die dem Blut geweiht waren. In den düsteren Kluften der Mitte und den grünenden Weiten des Ostens errichteten Vampire Fürstentümer, Burgen und Türme und delektierten sich auch an irdischen Schätzen und Gütern. Man wurde wählerisch genug, nur noch die sinnlichsten Jungfrauen zu trinken. Es war dies eine Zeit der Unschuld und der Freude, der ungetrübten Blutlust und des Vergnügens am Zerfall und der Berechenbarkeit aller Dinge. Die Naturwissenschaften rissen gierig Schranke um Schranke nieder und brachten mit sich den größten Triumph des Vampirgeschlechtes überhaupt: das Wissen um das Erkalten und Sterben der Sonne, irgendwann in ferner, doch sicherlich erreichter Zukunft, das Wissen um den letzten Sonnenuntergang, den buchstäblichen Tod des Erzfeinds Licht.
    Sie feierten beide großen Kriege durch, und hätten die Menschen darin innegehalten, hätten sie nach den Kriegen einmal genug gehabt von den Perspektiven des Vergehens, hätte alles gut werden können, alles gut bis heute. Doch die Menschen drangen weiter ein ins grauenhafte Reich des Wissens, und in den sechziger und siebziger und achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts einer jugendlichen Zeitrechnung waren die Menschen so weit, dass sie den gesamten Planeten mit nur ein paar gedrückten Knöpfen in eine verseuchte, tote Kugel verwandeln konnten. Viele Vampire hielten schon diesem Druck nicht stand: Die Aussicht, durch leblos dampfendes Gelände zu wandern und sich von strahlungsresistenten Kakerlaken ernähren zu müssen wie ein schwachsinniger Renfield, war für die meisten von ihnen zu viel. Sie wurden krank und starben, starben auch an Unterernährung der Seele. Nach Jahrhunderten des schwellenden Fleisches und der pumpenden Venen war es für viele einfach nicht mehr zu ertragen, mit welcher Blindheit und Kälte die Menschen all das aufs Spiel setzten und einzutauschen bereit waren gegen die radioaktive Erstarrung

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