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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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um heiliges Öl, die Jugoslawen liefen schaumberstend Amok und verwandelten Marktplätze in Moraste aus zerplatztem Gemüse und blutigen Körperfetzen, Wirtschaftskrise, Rezession und Inflation, Natur in maniakalischer Selbstzerfleischung, Rückkehr der Hakenkreuze, Magnetismus der Verkümmerung.
    Umso wütender, umso rasender über dieses Ungleichgewicht, über diesen Kontrast von Innen und Ringsum, Geworfenheit und Ziel konnte Hiob werden.
    Er wollte den Imitator packen, hochreißen und den höhnischen Zynismus aus ihm herausschütteln, doch der Mann kam ihm zuvor. Er schnellte aus der sitzenden Position, war jetzt fast einen halben Kopf größer als Hiob und starrte ihn aus kopftuchumrahmten geschminkten Augen an. Dann fiel er vor Hiob auf die Knie, winselte »Messias, Messias«, umklammerte Hiobs Beine, ließ Hiob so straucheln, riss ihn zu Boden, rollte mit ihm in die grobe Pflastermalerkopie von Chagalls Der grüne Geiger und löste sich dort verächtlich grinsend von ihm. Ein paar Jugendliche, die sich milchbärtig krächzend eingefunden hatten, um Pennerblut fließen zu sehen, winkten enttäuscht ab und zerstreuten sich wieder in ihre Perspektivlosigkeit. Der Imitator war verschwunden, Hiobs Handflächen grün.
    Kurz nachdem die Mitternachtsglocken aus dem Dorf hinter den Baumfeldern verhallt waren, kurz bevor in westlicher Richtung ein von den Schlafbäumen geschreckter Rabenschwarm aufstieg und in ganz untypischem nächtlichem Geschrei über den Diffringerhof dahinflackerte, schlug der Hund an, Baron, ein großer, fast wolfsartiger Schäferhund, der normalerweise eine so gottvertrauende Nachtruhe hatte, dass selbst die Gewalt eines Sturmes ihn nicht beunruhigen konnte.
    Der Diffringer öffnete zwischen seinem tiefen Federkissen und seiner dicken Federdecke kneisternd die Augen und wartete ein paar Momente lang auf das Muhen der Rinder, das eigentlich auf das Bellen hin jetzt hätte einsetzen müssen, aber keine Rinder waren zu hören, natürlich, weil keine Rinder mehr da waren. Verkauft, letzte Woche, der Stall stand leer.
    Er stand auf. Sein Weib, die Marie, ebenfalls wach geworden, schoss ihr furchtsames Wispern auf ihn ab wie ein Gewehr. »Wos is?«
    »Sakradeiter Hund wuis Mau net halta«, knurrte der Diffringer. »Hab woi dois Füttarn huit virgessa.«
    »Hosts wirkli? Virgisst’s doch sonst aa net.«
    »Waas net. Obr irgendwos so derra werd’s scho si. Leg di schloafa.«
    »Gib eahma, wos no übrig is vun der Kuah.«
    »Sauhund. Werd’ em aa no schlachta, sog i jetzt schunn.«
    Die nackten Füße ins schwere kalte Leder der Schuhe geschoben, einen Mantel übers Nachthemd gelegt, knarrte der Diffringer die breite Holztreppe hinunter in die Diele. Sein jüngerer Sohn Luit kam gerade aus seinem Zimmer, flackernden Kerzenhalter in der Hand.
    »Ah«, höhnte der Alte, »ist’s der Herr fei aa scho aufi? Dr Hund bellt scho a halba Stund, hast’s net aussikönnen odr wos?«
    »I hob’s halt gerada erst ghört«, schmollte Luit. »Außrdem iis dr Kall scho aussi.«
    Der Kall, natürlich. Der ältere, tüchtigere Sohn des Diffringers.
    »Jo, waruum bellt dois Hundsviah denn daa no, sakrament. Bringt’s der Kall net zr Ruah? Is denn dr Deifi lous in Kaifeck zr Ziit?«
    Forsch griff sich der Alte eine Sturmlatern von der Kommode, dunkles Wachs brach ab. Mit seiner kränkelnd fackelnden Kerze wurstelte Luit im Innern der vom Vater kältezitternd gehaltenen Latern herum, bis der Docht Feuer fing. »Setz dir a Mütz aaf«, knurrte der Vater höhnisch, »wirst’s sonst heraußen net überleba.« Luit schnaubte und zitterte jetzt auch.
    Sich nachtblind anrempelnd traten beide durch die Schwelle der schweren Haupthaustür in den knirschend tiefen Schnee. Die eiskalte Luft kroch beiden unter Mäntel und Schlafhemden und zupfte dort schmerzhaft herum. Ihre Gesichter schnitten durch die dunkle Watte ihres Atems.
    Baron hörte auf zu bellen. Der Diffringerhof lag ruhig. Der Mond war klar und kalt wie Eis heut Nacht.
    »Kall?«, rief der Diffringer in die schneewunde Nacht. »Kall?«
    »Baron?«, rief der Luit.
    »Hier«, kam eine raue Stimme aus dem matt glimmenden Dunkel. »Hierher.«
    Beide stapften sie der Stimme entgegen und schaufelten sich dabei weichen Schnee oben in die Schuhe, denn viel höher als sie gedacht hatten war er über Nacht geworden.
    Kall stand dort breitbeinig neben Barons ärmlicher Hütte, der rotbraune Vollbart im Laternenschein seines Vaters feucht auflodernd wie Brand. Leichter

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