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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Orgasmen aromatisierte Dunkel. Der Himmel über dem Tafelberg riss auf, und Wolken jagten mit irrsinniger Geschwindigkeit über den beiden hin, ohne dass ihnen ein Wind auch nur ein Haar krümmte. »Das nächste Mal werde ich ihn wirklich überlasten. Wenn er auch das noch übersteht, werde ich anfangen, ihn ernst zu nehmen.«
    »Meinetwegen?«
    »Vielleicht. Mich erstaunt die Wirkung, die er auf dich hat.«
    »Mich fasziniert sein Mut. Es gab einmal eine Zeit, da respektiertest auch du die Tapferkeit von Menschen.«
    »Das ist lange her. Das war, als der Nazarener seinen Feldzug gegen mich führte. Und später noch einmal, als Jiddu Krishnamurti sich selbständig machte. Aber alle dazwischen, Leute wie John Dee, wie Jakob Michael Reinhold Lenz, wie Giordano Bruno waren nichts weiter als Streiflichter, brennender Talg, so wie Hiob.«
    »Nicht brennender Talg. Brennende Seelen. Zu heiß selbst für dich.«
    NuNdUuN erhob sich jetzt ganz. Sein animalischer Körper war von einer zweckmäßigen Vollkommenheit, wie sie die vernunftunbegabte Natur allein niemals hervorzubringen in der Lage gewesen wäre. »Ich werde ihn auslöschen. Das nächste Mal. Ich habe einen Gegner für ihn, den er nicht besiegen kann.«
    »Vergiss nicht, ich habe ihm versprochen, dass das nächste Prognosticon sich in Deutschland ereignet.«
    »Ja. Deutschland ist perfekt.«
    Die Wolken lösten sich auf, verdampften. Sterne strahlten auf am blauen Himmel und regneten als Schnee herab. NuNdUuN breitete die Arme aus.
    »Hinterkaifeck«, flüsterte er.
    »Hm?«
    »Ich sagte: Hinterkaifeck. Anton Krantz, der Heimkehrer.«
    »Aber ... Hinterkaifeck ist doch ...«
    »Shhhhhh. Ich weiß, mein Liebling, ich weiß. Wo steht in den Regeln, dass das verboten ist?«
    Also wurde es beschlossen.
    Und irgendwo begann ein Hund zu bellen.



Manifestation 1 : Hinterkaifeck oder Der Heimkehrer
    a) Was aus uns geworden ist
    An einem dieser Frühsommertage begegnete Hiob einem bösen Imitator.
    Der Imitator saß neben einem Schaukasten vor Wertheim/Kudamm auf einem bunten Billigstrickdeckchen, trug die Kleider einer Sinti-Bettlerin und schaukelte hospitalistisch mit ungeheurer, geradezu schweißtreibender Schnelligkeit hin und her, dabei einen jammernd-greinenden Klagegesang hervorstoßend.
    Die Performance war erschütternd.
    Sie zeigte Realität, beschleunigt, verdichtet, auf den Punkt gebracht.
    Etliche Passanten hielten ihn für echt, auf seinem Deckchen lagen schon ein paar Groschen und 50-Pfennig-Stücke.
    Hiob war der Einzige in der wogenden, durch die Glastüren klatschenden Menge, der wirklich stehen blieb und zuschaute. Die ruckartigen, heftigen Bewegungen, diese komprimierte Verzweiflung und das weinerliche Lamento erinnerten ihn an etwas. Es hatte mal eine Zeit gegeben in seinem Leben, da hatte er den Geschlechtsakt als Hospitalismus gesehen, das pathetische, im Rhythmus der Unmusikalischen sich steigernde Aufeinanderklatschen von aufgedunsenen Wammen und eingesunkenen Brüsten, der bürgerliche Paarungsakt als das letzte, Fäden ziehende und Flecken machende Relikt einer zwischenmenschlichen Kommunikation, die als solche schon längst nicht mehr stattfand, genetisch vorprogrammierte Hüftbewegungen, atonal begleitet von dumpfem Muhen und geächztem Gelalle hinter halb geschlossen, verdrehten Augenlidern. Mensch legte Krawatte ab und wurde Fleisch und ärgerte sich hinterher, für ein paar Momente die Passform verleugnet zu haben. Spießbürgers mit Kunststoffhilfsmitteln dekorierte Oase. Reden und immer schneller darauf hinreden ohne einmalige Erweckung des Hirns aus seinem Schlummer. Bloß keine Reproduktion. Das dröge, monotone Schaukeln der Gesperrten. Zum Kotzen.
    Aber dann war Widder in sein Leben detoniert und hatte ihn auf ihrer Zeigefingerspitze balancierend um die Achse seines Genitals rotieren lassen. Die dumpfste Kopulation der Welt – Helmut auf Hannelore bei der pflichtbewussten Zeugung Walters oder Peters – bekam plötzlich eine einzigartige Farbe. Selbst der Urknall war eine Ejakulation gewesen, irgendwie, und wir alle kraulten darin mit, auf der Suche nach der großen wunderbaren Eizelle. Das verstumpfte Schwanken und Stöhnen der Gefallenen hatte plötzlich ein Gesicht, Gesichter, einmalige Züge in jedem. Vom Misaulusanthropus zum Philantropaulus. Natürlich: Während Hiob aufstieg zu höheren Weihen und sich bis zum vertraulichen Chefgespräch hinaufarbeitete, brach ringsum die Welt zusammen. Moslems und Christen rangen schwitzend

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