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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Sitzplatz an, setzten Wasser auf. Marie, des Diffringers Weib, kam herab, dann auch der Luit. Alle bestaunten sie den Anton, den sie gut gekannt hatten, aber keiner wagte es, ihn zu berühren, geschweige denn zu umarmen. Zu kalt, zu stark getränkt vom Winter waren seine Kleidung und seine weiße Haut.
    Marie war besonders erschrocken darüber, wie sehr sich der Anton verändert hatte, so, als sei er viel länger weg gewesen als sieben Jahre. Dann aber wiederum hatten sie ihn ja alle für tot gehalten, und fremder konnte man nicht werden, im Vergleich dazu war er ihnen tatsächlich ein Sohn.
    »S’ Heer hat eans an Bscheid gschickt, dois is scho funf Jahr her«, erklärte der Diffringer düster. »Hobns an eans gschickt, wei’s dei Eltarn jo net mehr glebt hoba. Hob eahmer no irgwo oba, den Briaf. Soit ean hola?«
    »Mach dir keine Umstände, ich weiß, was in diesen Briefen drinsteht.« Anton nippte, beide Hände um die Tasse gelegt, am heißen Kräutertee. Die Axt von draußen glomm quer vor ihm auf dem Tisch, ein Stahlrochen, harrend.
    »Anton Krantz iis gfalla ais ean Held füar Kaiser und Vodrland, hobns gschriaba. Hot sei Leba gebn füar sei Kamerada, hobns gschriaba. Iis net woahr, Anton? Woas iis wirkli passiert?«
    »Vieles. Zu vieles.« Anton atmete tief durch. Seine merkwürdig veränderten Augen, in denen orangefarbene Flammennebel zu kreisen schienen, schlossen sich für die anderen wohltuend. »Ich war siebzehn, als ich dem Ruf zu den Waffen folgte. Meine Eltern waren gerade gestorben, in jenem furchtbaren Feuer, das auch unseren Hof fraß, und außer euch gab es nichts mehr für mich, was mich zum Bleiben hätte veranlassen können. Der Kaiser brauchte Männer, um unser Land und unsere Frauen zu verteidigen, das schien mir ein guter Sinn zu sein für’s Leben.«
    »I wuiß no, wia du di vurabschiedt host vunn eans.« Die Marie lächelte. »Die Sonn hot gschiana an deam Tog, s’woar so blaur Himmel.«
    »Und gelacht habe ich und meine Mütze geschwenkt.«
    »Jo. Bist übar die Hügl glaufa ganz wia ean jungar Deifi.«
    Anton lächelte. »Ich war ein junger Teufel damals. Jetzt bin ich älter geworden.«
    Luit rieb sich die Nase. »Wie woar’s dann im Heer?«
    »Es war ... sehr interessant. Alles ging sehr langsam dort, und ebenso langsam verblassten alle Farben. Es gab keinen blauen Himmel mehr. Alles gewann an Gewicht und wurde schwer. Die Menschen dort sprachen nie in normaler Lautstärke, sie schrien entweder oder flüsterten keuchend. Es war keine schlechte Entscheidung, nicht hinzugehen, Kall.«
    »Dr Luit woar no zu jung! Hätt i soll’n die Eltarn allonilassa mit dr ganza Orbeit, Anton? I hob’s dir damols scho gsagt – gern wär i ganga, gern!«
    Anton winkte ab und öffnete die Augen wieder, den Blick in Kall gerammt. »Angst hast du gehabt, mein bärenstarker Freund. Angst vorm Krachen der Gewehre und Granaten. Bei jedem Schützenfest ist dir schon das Heulen gekommen, und bei jedem Gewitter erst recht. Du hättest im Heer keine zwei Wochen gelebt. Es war keine schlechte Entscheidung, nicht hinzugehen.«
    Kall schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und setzte zu einer Entgegnung an, die aber irgendwo in Antons brennenden Augen verdampfte. Ruckartig drehte sich Kall auf seinem Schemel so herum, dass er halb abgewandt saß. Sein bärtiger Unterkiefer mahlte.
    »Vrzahl widr«, forderte Luit, der jetzt hellwach war.
    »Sie bildeten uns aus. Alles ging sehr langsam. Sie gaben sich alle erdenkliche Mühe und ließen sich sehr viel Zeit, dabei lief alles, was wir lernen mussten, auf ein einziges Wort hinaus: Gehorche. Gehorche. Kein unvertrautes Wort für einen Bauernsohn aus dem Bayernland. Wir hatten Burschen in der Kompanie, die kamen aus den großen Städten oder aus den westlichen Wäldern, und auch einen oder zwei oben vom Meer, denen bereitete es größere Schwierigkeiten, dieses Wort in sich aufzunehmen. Aber ich verstand sehr schnell. Ich aß und trank »Gehorche«, robbte mich im Regen durch Fluten von »Gehorche« und zerschoss ganze Legionen von Heumenschen für »Gehorche«. »Gehorche« hielt mich warm und kleidete mich wie einen Mantel, auch später noch, wenn die blutigen Fetzen meiner Kameraden als Zweifel nach mir schlugen.« Anton lächelte jetzt über die angestrengt aussehenden Gesichter seiner Zuhörer. »Sie schickten uns nach Westen, dorthin, wo der Himmel tiefer und schwärzer war und vom Kanonenfeuer flackerte. Ins Frankreich gingen wir hinein, wo die Menschen

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