Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer
unglaubliche Helligkeit der Explosion ein Loch ins Zelluloid des Daseins brannte und die Druckwelle mit einem zweifüßigen Tritt seinen Rippenkasten traf. Eingehüllt in brennende und zerstiebene Fetzen von schmorendem Packpapier rang Hiob halb betäubt mit mehreren Schwerkräften gleichzeitig. Die Straße selbst begann zu brennen, ein Verkehrsschild neigte sich gravitätisch um sich selbst und hieb weitere Funken hoch. Der robuste Mantel aus den Schützengräben Verduns und auch die langen Haare hielten das meiste von Hiob ab. Er brachte sich hustend und ein bisschen taumelig in Sicherheit und war schon ein paar Blocks entfernt, als die Feuerwehren eintrafen und die Straße hektisch unter Wasser und Löschschaum pumpten und endgültig in den vertrauten Schauplatz eines Godzilla-Films verwandelten.
Ausquartiert und eingecheckt saß er in einem Jumbo wieder via London nach Berlin. Über der kontinentalen Landmasse schwebte das Flugzeug oberhalb von Nebel dahin; Nebel von oben war flach und sah wie eine leicht riefelige Schneelandschaft aus oder als könnte man als Fallschirmspringer weich und jauchzend darin landen. Aber das konnte man nicht. Als Fallschirmspringer würde man haltlos durch das Weiß hindurchtrudeln, dabei nass und blind werden und schließlich mit unverminderter Härte unten aufschlagen.
Hiob machte sich keine Illusionen darüber, was ihn in Berlin erwartete. Er hatte jetzt die ersten vier Punkte seiner fünfpunktigen Wette mit NuNdUuN gewonnen, es stand jetzt zwölf zu eins für ihn, und die Worte des Unteren Fürsten klangen ihm noch gut genug in den Ohren: Es wird kein dreizehn zu eins geben .
Bisher hatte der einzig wirklich existente Gott sogar Wort gehalten – die vier Prognostica seit Vereinbarung der Wette waren relativ leicht und überschaubar gewesen. Die Sache mit dem traumverlorenen Türken war nur gory geworden am Ende, weil Hiob sich von Conrad Veidts Cesare hatte überrumpeln lassen. Die endgültige Absenkung von Meister Byhn war im Grunde genommen nicht gefährlich, sondern nur ein Problem des Schuldgefälles in einer typischen Schüler-Lehrer-Beziehung gewesen. Die Ruprechtsnacht hätte Hiob wunderbar im Griff gehabt, wenn nicht die Touristen ihm im wahrsten Sinne des Wortes dazwischengefunkt hätten. Und auch das Abenteuer in Japan war sehr kulant: ein einziger Gegner, dessen unbestreitbare Talente man mit dem richtigen Werkzeug ziemlich mühelos aushebeln konnte.
Trotz dieser relativen Bewältigbarkeiten hatte Hiob das Gefühl, schon stolz sein zu können auf sich, denn in den vergangenen vier Punkten hatte er ja auch seine Taktik geändert. Er hatte sich nicht mehr ganz so wild ins Geschehen gestürzt, um dann erst vor Ort rotierend rauszufinden, was eigentlich im Werden war, wie er das zu Beginn seines Spiels und auch noch zum Beispiel bei seinem Doppeldeckerbus-Desaster gemacht hatte. Den letzten vier Punkten war allen gemein gewesen, dass Hiob sich mit penibler Akribie schon im Vorfeld durch gute Recherche und das aufwändige (und kostenintensive) Heranziehen oder Herstellen der geeignetsten Waffen einen letztendlich entscheidenden Vorteil verschafft hatte. Trotzdem war den letzten vier Punkten auch gemein gewesen, dass es in jedem von ihnen einen oder mehrere Momente gegeben hatte, wo Hiob die Kontrolle wieder verloren hatte, zum Spielball seines Geschicks wurde und sich nur mit Mühe und Instinkten wieder emporziehen konnte. Das war sehr ärgerlich. Das musste noch besser werden. Das würde besser werden mit steigender Erfahrung, da war sich Hiob sicher. Aber auch so schon, ohne große Erfahrung, hatte er jedes Mal gewonnen.
Ihm war klar, dass NuNdUuN die Möglichkeit hatte, aus seinem Fundus der eintausendundeinemillionen Unmenschlichkeiten eine zutage zu fördern, die selbst durch gewissenhafte Vorbereitung und vorbildliche Ausrüstung nicht so leicht zu entschärfen war. Wenn Hiob so darüber nachdachte, hatte er ohnehin noch nie davon gehört, dass der Wiedenfließregent jemals eine Wette verloren hätte.
Aber um Präzedenzfälle zu schaffen, war Hiob Montag ja schließlich angetreten, und deshalb grinste er wieder ein bisschen, mit so was wie Zuversicht in den Augen, und das Spiegelbild im kleinen Flugzeugfenster neigte sich den tiefen Nebeln zu.
Prognosticon 11: Abreibung
Warum starb ich nicht bei meiner Geburt,
verschied nicht,
als ich aus dem Mutterschoße kam?
So läge ich nun und wäre stille,
ich schliefe,
da hätte ich Ruhe,
mit Königen und
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