Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer
Iob.«
Hiob krempelte sich die geistigen Ärmel hoch und trat in Aktion, der Seniorenheim-Schwarzenegger von Frohnau. Er fand seine spezielle Freundin Susanne in der Teeküche an einer Fünf-Minuten-Terrine nippend.
»Hören Sie mal, ich bin’s jetzt langsam leid«, raspelte er los. »Wenn Sie meinem Großvater noch ein einziges Mal seine Pfeife klauen, nur weil Sie offensichtlich an einem oralen Komplex leiden, dann hole ich ihn hier heraus und zeige Sie wegen ... was weiß ich ... psychischer Grausamkeit gegenüber Schutzbefohlenen an.«
»Ich meine es nur gut mit ihm. Das Rauchen schadet ihm.«
»Der Mann ist fast achtzig Jahre alt – für was in aller Welt soll er sich denn Ihrer Meinung nach noch schonen? Ich glaube nicht, dass er an der Olympiade teilnehmen will.«
Susanne stellte ihre Suppentasse ab. Ihre Mimik nahm Anlauf. »Herr Montag, ich bemühe mich, ich bemühe mich wirklich, freundlich und zuvorkommend zu den Angehörigen unserer Bewohner zu sein, aber Sie gehen mir langsam zu sehr auf die Nerven!«
»Na, das ist ja toll.«
»Nein, das ist nicht toll. Ich will Sie mal was fragen, Herr Montag: Wo sind Sie eigentlich, wenn Ihr Großvater nachts, nachdem er wieder geraucht hat, blutig verteerte Lungenfetzen aushustet und Harn im ganzen Bett verspritzt, weil der Hustenreiz seinen Körper so schüttelt? Wo sind Sie dann? Wo sind Sie eigentlich, wenn er im Essraum zusammensinkt, weil er einen kleinen Schlaganfall erlitten hat und Sauerstoff braucht? Wo sind Sie, wenn er gebadet werden muss? Wo treiben Sie sich herum, wenn er Fieber hat und zu schwach ist, sich nach dem Stuhlgang abzuwischen? Reiben Sie dann seinen furunkeligen Hintern sauber? O nein, Herr Montag, ich bin überzeugt davon, dass Sie sich ein schönes flottes Leben machen in der Blüte Ihrer Jugend, mit Gleichaltrigen und attraktiven Menschen, während ich und meine Kolleginnen und Kollegen Ihnen die lästige Bürde abgenommen haben und uns um Ihren Großvater kümmern! Machen Sie doch Ihre Drohung wahr und nehmen Sie ihn mit zu sich nach Hause, das wäre bestimmt für ihn sogar das Beste, aber natürlich werden Sie das nicht tun, weil Sie’s ja gar nicht wollen, weil Sie das sogar fürchten. Nur weil Sie, wenn Sie sich alle paar Monate mal hierher bequemen, möglichst hundertprozentig auf Harmonie machen wollen und Ihrem Großvater Tabak schenken und ihm beim Rauchen zusehen wollen, werde ich nicht, das schwöre ich Ihnen, sein Leben dadurch aufs Spiel setzen und mir mein Gewissen belasten! Und jetzt verklagen Sie mich von mir aus, tun Sie alles, was Ihnen Ihr oberflächliches Vergnügen bereitet, aber nehmen Sie sich, ich bitte Sie wirklich darum, nicht noch einmal die Freiheit, mir in meine Arbeit hineinzupfuschen.«
Eine peinliche Pause räkelte sich gähnend, bis Susanne wieder einen Schluck aus ihrer himmelblauen What a beautiful Day! -Tasse nahm.
»Hey, wenn ich mal alt bin, lass ich mir von Ihnen auch den Arsch auswischen, das ist ein Versprechen.« Hiob trollte sich zurück ins Zimmer. Tharah und Wagsal saßen jetzt nebeneinander und guckten aufmerksam zu ihm hoch. Sie sahen aus, als hätten sie gerade über ihn gesprochen.
Hiob winkte ab und setzte sich wieder aufs Bett. »Vergiss die scheiß Pfeife. Moritz kann dir doch ’ne neue schenken. Vielleicht solltest du aber auch wirklich aufhören mit der Raucherei. Rauchen ist für Leute ... die mit dem Dunst zufrieden sind. Die den Qualm wollen, nicht das Feuer.«
Tharah schaute finster, Wagsal schmunzelte. »Das hängt doch nur davon ab, was man raucht«, meinte Tharah.
»Genau«, pflichtete Wagsal ihm bei, »wer sich mit einfachem Tabak zufriedengibt, ist erwiesenermaßen selbst schuld.«
»Was soll’s.« Hiob hatte keine Lust mehr, sich noch weitere Slogans auszudenken. Wenn sein Großvater rauchen wollte, würde er es tun, egal, was Hiob sagte. Er lenkte stattdessen über zu einem anderen Thema. »Wie geht’s dir denn so? Du siehst gut aus. Die Kälte kommt hier nicht rein, hm? Mir steht’s langsam bis hier mit dem Winter, kann ich dir sagen.«
»Es wird nicht mehr lange dauern«, sagte Tharah.
»Tja, hoffen wir’s. Wir könnten ja vielleicht alle drei mal ein bisschen die Köpfe zusammenstecken und einen kleinen Wetterzauber versuchen, was meint ihr, nur um den Frühling so’n bisschen anzuschieben ...«
»Dein Großvater meint nicht den Winter«, sagte Wagsal ernst.
»Es wird nicht mehr lange dauern«, wiederholte Tharah noch mal. »Dein Spiel.«
Hiob
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