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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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besser darauf konzentrieren zu können, sie aus NuNdUuNs Fängen herauszuhauen, so kriegte er jetzt keinen Kontakt mehr zustande, weil irgendwas im Wiedenfließ ihn abblockte. Zweifelsohne heckte der malevolente Potentat eine Teufelei aus, die es in sich hatte. Da braute sich geradezu spürbar was zusammen. Was sich nicht gerade förderlich auf Hiobs Verdauung auswirkte.
    Außerdem hatte er jetzt schon seit Monaten keinen Sex mehr gehabt und wurde auch deshalb langsam fiebrig. Die theoretische – wenngleich peinliche und wenig männliche – Möglichkeit des Masturbierens kicherte zwar neckisch durch seine Phantasie, aber ihm war klar, dass auch das keine Lösung war. Einer der Nachteile des Vorteils, es mit einem echten Sukkubus treiben zu können, ist, dass einem nichts anderes mehr Befriedigung verschaffen kann.
    Während er eine Flasche Johnny, eine Flasche Jack und eine Flasche Jim durcheinanderleerte und über die eitrigen Implikationen der bernsteinhaft bitteren Geschmeidigkeit sinnierte, plante und verwarf er einen Daytrip an die Müritz, zur Beisitzerin Eidry Gevicius, nur um mal zu sehen, ob seine Kontakte zum Fließ völlig gekappt waren oder ob es noch eine Möglichkeit gab, eventuell zwischen Zeilen herauszuhorchen, was im Unterland so ausgebrütet wurde. Was ihn abhielt, war die Aussicht, bei Minus zwölf oder dreizehn Grad am Straßenrand Mecklenburg-Vorpommerns auf die Gnade anhalterfreundlicher Sachsen angewiesen zu sein. Nach Hiobs Überzeugung war es in der Hölle nicht heiß, sondern kalt. Alles andere ergab keinen Sinn.
    Feininger war geschäftlich verreist. Das Letzte, was Hiob von ihm gesehen hatte, war, wie er mit Christmett nahe Haiderland unterm Arm hinausspaziert war und so was gegrinst und gezwinkert hatte wie »Müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn sich das hier nicht verkaufen lässt«. Genau mit dem.
    Kamber war damit beschäftigt, seine neueste Staffel der Reblin-Storys von einem tragbar beheizten Bunkergrundstück aus in die Sendefrequenz von hundert Komma sechs zu rammen und lachend durch den dadurch ausgelösten Regen von gerichtlichen Verfügungen zu steppen. Spät in der Nacht gabelte Hiob durch Zufall eine dieser Sendungen mit seinem kleinen Ghettoblaster neben der Schlafmatratze auf. Es ging natürlich um die katastrophale und niemals wieder tilgbare Verschuldung des Westernstädtchens Reblin, und wie der von Folge zu Folge immer weiter an der Realität vorbeiredende und -planende Sheriff Deep Ken verzweifelt versuchte, einen Pakt mit den rund um Reblin rumwohnenden Hinterwäldler-Farmern zu schließen, um die Schuldenlast zumindest teilweise abzuwälzen. Kurz vorm obligatorischen Cliffhanger lief alles darauf hinaus, dass dies wohl nichts werden und Deep Ken die Seelen seiner Stadtbewohner dem Teufel anbieten würde, um wenigstens ein paar zinsdeckende Dollars rauszuschinden. Hiob hätte gern gewusst, wie das weiterging. Aber die Musik entschädigte, und Hiob wippte auf seiner Matratze wie auf einem fetten fliegenden Teppich durch die Nacht. D’Angelo, Mo’Wax, Speech, Mad Professor, The Pharcyde und Cassandra Wilsons neues Zusammenspiel mit – wie hätte man’s nicht ahnen können – Chris Whitley. Strange Fruit, ein ur-ur-alter Song über die Lyrik des Lynchens.
    Hiob schaute bei Backspace Blunt vorbei. Der XTC-Hacker sah aus, als hätte er die letzten 76 Stunden schlaflos im WWW verbracht, was genau das war, was er auch wirklich getan hatte. Die Anstrengung, Hiob die mit mehreren Schlössern gesicherte Wohnungstür zu öffnen, ließ ihn fast stürzen, und er lallte nur etwas davon, dass er dicht davor stand herauszufinden, wie viele illegale Zugriffsmöglichkeiten auf private Festplatten tatsächlich in Windows 95 eingearbeitet waren. Hiob ließ ihn in Ruhe. Er konnte den langhaarigen Junkie gut leiden, weil Blunt eine sehr ungewöhnliche Lebensperspektive hatte. Mit fünfzigprozentiger Wahrscheinlichkeit würde Blunt die nächsten drei Jahre nicht überleben, weil kein sterblicher Körper auf Dauer mit so wenig lebenserhaltenen Maßnahmen und stattdessen so vielen chemischen Giftstoffen auskommen konnte. Mit darüber hinaus fünfundvierzigprozentiger Wahrscheinlichkeit würde Blunt die nächsten drei Jahre nicht überleben, weil er irgendeinen Informationsmulti, voraussichtlich die amerikanische, aber international operierende National Security Agency, durch eine Machenschaftsveröffentlichung dermaßen ins Wanken brachte, dass er als sogenanntes Selbstmordopfer

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