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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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war, dort hinzukommen, wo er die ganze Zeit hatte sein wollen, weil er das Gefühl hatte, dorthin zu gehören, verweigerte er sich der Einfachheit.
    Dem Schlüssel.
    Weigerte sich, den Schlüssel zu benutzen.
    Den er die ganze Zeit bei sich gehabt hatte.
    Der die ganze Zeit bei ihm geblieben war.
    Weigerte sich
    ihn zu benutzen
    weil er ihn hasste.
    Den Schlüssel hasste. Den Schlüssel verabscheute. Weil der Schlüssel ein Hund war.
    Weil Hiob Hunde hasste. Und NuNdUuN das wusste.
    Und NuNdUuN Hiob somit dazu bringen konnte, den Schlüssel nicht zu benutzen.
    Den Schlüssel, der sich die ganze Zeit über redliche Mühe gegeben hatte, von ihm nicht abgeschüttelt zu werden.
    Der große schwarze Hund in Flammen.
    Wenn Hiob dieses Spiel gewinnen wollte, musste es ihm gelingen, Dinge zu tun, die NuNdUuN nie von ihm erwarten würde.
    Wenn ihm das nicht gelang, würde er immer nur eine Marionette in den eleganten Fingern des größten Spielers aller Zeiten bleiben.
    Und indem er das erkannte, wurde es ganz einfach, es zu tun.
    So einfach, wie ein Prognosticon sein musste.
    Hiob löste sich von der Haustür und ging langsam auf den Asphalt der Straße zurück. Der Neufundländer war nur zwanzig Meter entfernt stehen geblieben. Seine Flanken zitterten vor Schmerzen, während kalt schillernde, grausame Flammen mit widerhakenden Fingern sein Fell liebkosten. Die geschwollene Zunge hing ihm seitlich aus dem Maul und ließ wundroten Speichel blasig auf der Oberfläche kochen. Es war, je näher Hiob heranging, ein immer erbärmlicherer Anblick. Der mächtige Hund war nur ein Schatten seiner selbst und blinzelte irritiert ölige Flüssigkeit aus seinen geweiteten Augen, sodass es aussah, als würde er weinen. Aber es war nicht das vermenschlichte Weinen aus einem niedlichen Zeichentrickfilm. Es war wohl nur ein Reflex der Bindehaut auf den ätzenden Qualm des eigenen, geschmolzenen Felles. Der Neufundländer zuckte zurück, als Hiob sich ihm bis auf zehn Meter genähert hatte, blieb aber seitlich stehen und blinzelte in die Gegend. Die Nacht war kalt, jetzt aber ohne Regen. Wind fuhr in herbstlicher Ahnung zwischen alles, brachte jedes Ding ein klein wenig in Unordnung und Auflösung. Hiob blieb stehen, und sie sahen sich an. Auch der Mensch fing jetzt an zu zittern. Es war völlig unklar, was passieren würde, aber es musste leicht sein, ein Kinderspiel.
    Ein Kinderspiel.
    Es fiel Hiob naturgemäß schwer, sich auf den Hund einzulassen. Er bezweifelte, dass er in der Lage sein würde, kindergleich mit ihm herumzutollen, ihn zu zausen und zu liebkosen. Dafür war erstens dieser Hund zu entstellt und unnatürlich, und zweitens waren für Hiob Hunde schon immer saudumme, triefnasige Kläffer gewesen, die die Straßen und Parks mit stinkender Scheiße überzogen und idiotisch sabbernd hinter jedem Stock herrannten, den jemand durch die Gegend warf. Hiob hatte den eigentümlich erotischen Eigensinn von Katzen der hechelnden Geradlinigkeit von Hunden schon vorgezogen, bevor die schlauen Bücher aus der Gruft ihn darüber informierten, dass die Streitwagen des Fließes von Hunden gezogen wurden und in der chimärenhaften Artenvielfalt der Canidae NuNdUuN so manch ergebenen Agenten fand.
    Aber irgendwie war dies hier tatsächlich leichter. Das da vor ihm war nichts weiter – aber auch nichts Geringeres – als eine geschundene Kreatur. Mehr war nicht wichtig, und das machte es in der Tat einfach.
    Hiob ging in die Hocke und begann, mit beruhigender Stimme auf das Tier einzureden, die üblichen Floskeln entlang »Braver Hund, guter Hund, du bist ein guter Kerl, du brauchst doch keine Angst zu haben« etc. Der Neufundländer wich winselnd und mit einer für ein Tier dieser Größe erstaunlich hohen Stimmlage fiepend ein Stück weit zurück und schwenkte den Kopf hin und her, weil ihn die pure Agonie des Daseins in einen Hospitalismus trieb.
    Hiob versuchte, das Zittern seiner eigenen Bauchmuskeln zu unterdrücken, und wiederholte noch einmal mit möglichst ruhiger Stimme: »Es wird alles gut, Alter. Hab keine Angst.« Er schloss die Augen, weil er den Anblick des entstellten Tieres, das jetzt langsam, mit verdorrter Nase schnuppernd, auf ihn zukam, nicht mehr ertragen konnte. »Bringen wir es hinter uns. Gib mir her, was du gefunden hast. Bist ein braver Hund.« Der Neufundländer kam sämtlicher Sinne beraubt, wackelig, röchelnd bei Hiob an. Hiob lehnte sich in der Hocke nach vorne, stützte sich mit der Rechten am Boden ab und

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