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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Zähne nicht drin und sah deshalb ein bisschen zusammengeknautscht aus.
    Er öffnete das Fenster.
    »Komm rein, Junge, oder verzieh dich wieder, jedenfalls bleib ich nicht hier am offenen Fenster stehen, ich hol mir nicht deinetwegen den Tod.«
    Hiob kletterte rein, schloss das Fenster hinter sich.
    Es war heiß im Zimmer, heiß wie bei ihm zu Hause. Magier mögen’s heiß.
    »Ich will nicht lang bleiben, ich hab nur eine Frage.«
    »Schieß los.« Tharah kletterte in sein knorriges Bett, angelte sich die Dritten aus einem Deckelglas und schob seine Kiefer in korrekte Proportionen zurück. Simon Whitechapels The Slaughter King lag aufgeschlagen auf dem Nachttisch.
    »Warum Hiob? Soviel ich weiß, sind Vornamen wie Kain, Judas und Luzifer im deutschen Namensrecht verboten, weil man davon ausgeht, dass sie dem so benannten Kind im Leben Nachteile bereiten. Bei Hiob ist das doch genauso. Wieso haben meine Eltern es geschafft, mich so zu nennen?«
    Der alte Magier machte ein grimmiges Gesicht. Seine Stimme war nachtfarben. »Das war meine Idee. Und ich war es auch, der dem Standesbeamten klargemacht hat, dass Hiob eine herausragende Heldenfigur war, egal, welche Unglücksfälle mit seinem Namen auch immer verbunden sein mögen.«
    »Erklär’s mir.«
    »Hiob war ein Mann, dessen Glaube so stark war, dass er die Hölle überwinden konnte. Was ihm als Schwäche ausgelegt wird – nämlich sein passives Dulden –, war in Wirklichkeit eine phänomenale Stärke. Er hatte seinen Glauben und hielt daran fest. Letztendlich löste sich dieser Glaube von der tatsächlichen Natur Gottes, der ein Einfaltspinsel war. Hiobs Glaube wurde stärker als Gott selbst, wurde Gott, und Gott selbst und auch der Teufel mussten sich dem schließlich beugen und hilflos Hiob ihre Reparationen entrichten.«
    »Du meinst ... Hiob besiegte Gott?«
    »Genau. Indem er Gott ein Eichmaß vorhielt, dem dieser schon lange nicht mehr entsprechen konnte. Hiob war die schwerste Prüfung, die Gott und Satan jemals über sich ergehen lassen mussten, und Gott und Satan bestanden den Test nicht. Hiob dagegen wurde mit biblischem Alter belohnt, mit Wissen, Macht, Nachfahren und einer Immunität gegenüber allem Leid für den Rest seines noch sehr langen Lebens, was die paar Wochen des Duldens doch wohl mehr als aufwog. Hiob war nicht so stümperhaft und unbedacht gewesen wie Jakob, Gott direkt mit den Fäusten anzugreifen. Was sprang für Jakob dabei heraus? Ein Spitzname und eine zerschmetterte Hüfte. Hiob war viel cleverer, er errichtete in sich selbst einen Maßstab, und so wandelte er sich aus eigener Kraft – von Gott und Teufel verlassen – vom willkürlich gewählten Opfer zum sich selbst bewussten, beständigen Prüfstein.«
    »Und das bedeutet für jemanden, der diesen Namen trägt ...?«
    »Dass er in sich selbst unabhängig wird und aus sich selbst heraus die Kraft schöpft, selbst die Hölle noch in einen Garten zu verwandeln.«
    »Und das hat der Standesbeamte kapiert?«
    »So genau habe ich ihm das nicht erklärt. Aber ich habe ihm meine Meinung erläutert, dass es Unfug ist, ungewöhnliche Vornamen nicht zuzulassen. Wie sonst sollen ungewöhnliche, aus der Masse herausragende Menschen entstehen, wenn sie nicht von kleinauf mit einer ihnen anhaftenden Ungewöhnlichkeit umgehen lernen müssen? Meiner Meinung nach wären auch Kain und Judas großartige Vornamen. Die Männer, die mit diesen Namen heranwachsen, würden so oft mit den damit zusammenhängenden Vorurteilen konfrontiert werden, dass ihnen gar nichts anderes übrig bliebe, als entweder zum Brudermörder und Verräter, oder aber zum Bruderretter und treuem Loyalisten zu werden. Beide Extreme wären gesellschaftlich ein Gewinn, denn nur aus Extremen entsteht Fortschritt.«
    »Und ich? Bin ich nun ein Hiob geworden oder ein Anti-Hiob?«
    Tharah dachte ein paar Momente lang nach. »Du bist beides. Du leidest zwar, aber du tust dies nicht mit Demut. Du glaubst zwar, aber dein Glauben ist nicht nur deine größte Stärke, sondern auch deine größte Schwäche. Ahnungslos, was Verlust wirklich bedeutet, bist du ein Schacherer um Vorteile geworden. Und du spannst andere für dich ein. Den Ruhm willst du für dich behalten, aber dir fehlt die Größe, das Einzigartige auch wirklich einsam zu erreichen. Das ist vielleicht die größte meiner Enttäuschungen. Dass aus dir nie ein wirklicher Adept wurde, kein ehrenwerter Scholastiker, sondern nur ein Scharlatan, ein Pfuscher und Stümper, der

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