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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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würden viele Menschen sterben müssen. Also war das tatsächliche Abtöten von Menschenfleisch integraler Bestandteil der Gesamtinszenierung. Also war es das Beste, die Eröffnung auf die Harte durchzuziehen. Falls ich – unwahrscheinlicherweise – damit übers Ziel hinausschoss, konnte das Fließ das dann ja immer noch als eindrucksvolle Demonstration meiner Entschlossenheit werten.
    Also wieder zurück. Rausfinden, um wen es ging. Das war das Problem.
    Meine Geburt war neunzehn Jahre her, was die Sache nicht gerade vereinfachte. Außerdem wusste ich, dass meine Mutter, die mir hätte sagen können, in welchem Krankenhaus das Ganze stattfand, mittlerweile abgehauen war, durchgebrannt mit irgendwelchen tätowierten Bierbauchrockern, kaum dass ich das mütterliche Nest gegen die Familiengruft eingetauscht hatte. Also konnte ich sie nicht fragen. Großvater lebte zwar in Berlin und besuchte mich regelmäßig hier unten und brachte mir das Wasser und Orangen, aber den konnte ich auch nicht fragen, obwohl der wahrscheinlich wusste, wer mich zur Welt gebracht hatte. Ich musste vorsichtig sein. Da mir klar war, dass der alte Magier was dagegen hatte, dass ich in so jungen Jahren mit dem Spiel anfing, durfte er keinen Verdacht schöpfen. Wahrscheinlich war die Eröffnung für jeden gleich oder beruhte zumindest auf tradierten Grundmustern, sodass er von dem »Töte den Arzt, der dir auf die Welt half« schon gehört hatte.
    Eine Geburtsurkunde von mir gab es auch nicht. Die war irgendwann mal verloren gegangen, hatte man mir erzählt, als ich mich für eine Schulhausaufgabe danach erkundigt hatte. In Wirklichkeit hatte wahrscheinlich – wie ich mittlerweile annehme – der alte Terach Montag dafür gesorgt, dass die schriftlichen Zeugnisse seines komplizierten Zuchtexperimentes nicht in falsche Hände gelangen konnten.
    Die herkömmlichen Wege versagten. Der Materie voll angemessen, musste ich mich also der Unherkömmlichkeit bedienen. Dass ich noch zwei Monate hier unten abzusitzen hatte, erwies sich dabei als praktisch. So konnte ich in aller Ruhe die Mittel und Wege studieren, mein vollständiges Gedächtnis zu reaktivieren.
    Ich kann es gar nicht glauben.
    Dass ich das noch erleben darf: Heute hab ich endlich dieses Scheiß-Granitkorsett abgenommen bekommen! Endlich darf ich mich wieder kratzen, wenn die Arschhaare jucken. Und das Abkacken wird auch leichter.
    Natürlich darf ich noch nicht rumturnen. Die phänomenale Regenerationsfähigkeit meines Knochengewebes schwafelschwafelschwatzschwatz dazu führen, dass ich letztendlich wieder ohne Gehhilfen werde laufen können dankeohdankelieberhalloonkeldoc doch gut Ding will Weile haben salbadersalbader – mein gut Ding will lieber Muschi haben – und über Gehgestell und Doppelkrücken werde ich so langsam wieder ans Gehen rangeführt werden wie motherfuckin’ Tom Cruise in Born on 4th of July . Dabei bin ich nicht mal querschnittsgelähmt. Ich bin nur vom Herrn berührt worden wie dieser Clown aus der Bibel, war es Isaak oder Jakob?, der mit Gott rang und dafür die Hüfte zerschmettert bekam. Same Procedure as every Millennium. Jedenfalls ist ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Wenn ich wieder frei bin, muss ich nicht mehr fürchten, dass Souldiver Bloodfork als Krankenbesucher hier grinsend reinspaziert kommt und mich hilflos in der Aufhängung Schwingenden mit Weintrauben totwirft.
    Wo war ich? Ach ja: die totale Erinnerung.
    Das alles basierte auf der Hoffnung, dass ich mit offenen Augen geboren wurde. Das gibt’s. Ist zwar eher selten bei Babys, aber astrale Prädisposition ist ja auch eher selten. Ich konnte die begründete Annahme hegen, dass der schrumpelige kleine Izambleau-Montag-Bastard den Dschungel mit neugierig geöffneten Blauäuglein betrat. Falls das so war, musste ich mich nur daran erinnern, was er gesehen hatte. Kinder-leicht.
    Zwei Testversuche in den Wochen drei und fünf meiner letzten acht Wochen schlugen fehl, beim zweiten dieser Versuche langte ich an meinen verschütt gegangenen Gehirn-ROMs vorbei, griff beidhändig irgendwo ins subatomare Genealogiebewusstsein, erinnerte mich daran, rotierende Urknall-Urmasse gewesen zu sein, und erstickte fast an meiner eigenen Kotze. Unerfahrenheit plus Dämlichkeit mit H geschrieben, und die Erinnerung war wahrscheinlich nicht mal echt, sondern ein gestreutes Astral-Echo des kollektiven Homo-Sapiens-Scheinbewusstseins. Egal. Woche sieben: Hiob, der Unbeirrbare, stößt sich vom Sprungbrett ab, um

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