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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Rücken zu.
    Ich überlegte, ob ich ihn ansprechen, ihm eine Chance geben sollte, seinem Schicksal ins Gesicht zu sehen. Aber verdammt, ich würde für das hier ohnehin keine Haltungsnoten bekommen. Außerdem war es nichts Persönliches – ich musste ihn nicht konfrontieren wie einen Erzfeind oder so was. Was hätte ich sagen sollen? »Doktor Wothe, Sie werden sich sicher nicht mehr an mich erinnern, aber wir sind uns schon einmal begegnet«? Nein. Ich trat ganz dicht hinter ihn, packte dann seinen Haarschopf mit der Linken und schnitt ihm mit dem Messer in der Rechten die Kehle durch. Ich hatte die Cleverness besessen, es zu Hause an einem Wetzstein zu schärfen.
    Wothe ejakulierte sein Blut über die Papiere, gurgelte und pfiff wie ein Asthmatiker, zuckte vor und zurück und fiel seitlich vom Stuhl. Seine großen Augen starrten mich an. Bis auf die behämmerten Koteletten und eine jetzt leichte Graudurchwirktheit seiner Haare hatte er sich seit vor neunzehn Jahren kaum verändert. Soweit ich das als Hetero überhaupt beurteilen kann, war er ein gutaussehender Mann und brachte sicher so manche Hilfsschwester zum Seufzen. Irgendwie fühlte ich mich jetzt doch bemüßigt, etwas zu sagen. Ich ging neben ihm in die Hocke und beugte mich zu ihm hinab. »Wenn es Ihnen irgendwie hilft, Doktor Wothe: Dies ist kein gewöhnlicher Mord. Ich werde auch nichts stehlen oder sonst wie irgendwas verwüsten. Sie sind jetzt, in diesen Augenblicken, eine Schlüsselfigur in einer der bedeutsamsten Unternehmungen der Menschheitsgeschichte. Historisch gesehen ist dies jetzt der Zenit ihres Daseins.« Er starrte mich weiter an, versuchte vergeblich, mit beiden Händen seinen weit aufklaffenden Hals zusammenzuhalten, verlor schließlich durch den immensen Blutverlust das Bewusstsein und starb. Ich wischte die Klinge an seiner Weste ab und steckte das Messer wieder ein. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich nicht mal Handschuhe angezogen hatte, aber außer Wothes Haaren hatte ich ja nichts berührt, und Haare gaben fingerabdrucktechnisch sicher nicht viel her.
    Ich stand noch eine Weile am Tatort herum. Der dickflüssige Blutsee, der sich auf dem Parkettboden ausbreitete, faszinierte mich. Mit so viel roter Farbe konnte man ganz sicher ungeheure Muster auf den Boden schmieren, bedeutsame noch dazu. Gut möglich, dass diese Momente, diese Überlegungen, das viele ungenutzte Blut die Initialzündung für meine spätere »Karriere« als Kunstmaler waren. Vor meiner Gruftzeit hatte ich außer widerwillig im schulischen Kunstunterricht noch nie gemalt. Während meiner Klausur lernte ich die Gemälde schätzen und lieben, die die Buchstaben-Eintönigkeit der allgegenwärtigen Bücher durchbrachen. Aber erst in Wothes Totenhaus erhielt ich einen Einblick in die Intensität von Farbe. Ich weiß auch noch, dass ich, als ich so herumstand, einen Blick auf die medizinischen Fachjournale warf, die Wothes Blut als Erste zu kosten bekommen hatten. Die hervorstechendste Überschrift lautete: »Blutdruckabfall im Rahmen der Behandlung einer hypertensiven Notsituation«, obwohl ich heute noch nicht weiß, was »hypertensiv« bedeutet. Es waren eigenartige Momente, durchtränkt von dem Bewusstsein der Wichtigkeit des Augenblicks, ohne aber dass der Augenblick selbst irgendeine Bedeutung vermittelte. Schwer zu beschreiben. Sollte vielleicht jeder mal selbst machen, diese Erfahrung.
    Ich stellte nichts an mit der Leiche oder dem Blut. NuNdUuN hatte keinerlei Fetischisierung gefordert, und jede zusätzliche Aktion würde nur Spuren verursachen. Als ich die Treppe nach unten ging, ärgerte ich mich, dass ich Wothe gesagt hatte, ich würde nichts stehlen. Erstens hätte ich etwas zum Verticken oder sogar Bares finanziell verflucht gut brauchen können, und zweitens würde Raub die Bullen mit einem nachvollziehbaren Motiv versorgen und verhindern, dass sie ihre Ermittlungskreise allzu weit ausdehnten. Aber jetzt hatte ich’s versprochen, und meinem ersten Turmopfer gegenüber wollte ich nun doch nicht wortbrüchig werden. Außerdem – wer weiß, wozu der Verzicht gut war. Vielleicht wäre man mir auf die Schliche gekommen, wenn ich Diebesgut aus dem Mordfall Wothe irgendwo verscheuert hätte. Unwahrscheinlich, aber wer weiß? Die Scheiße mit Bernadettes Tagebuch hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass es in meiner Branche schon ein übler Fehler sein kann, das nebensächlichste Detail zu übersehen.
    Ich ging zu Fuß nach Hause.
    Ein ungeheurer Weg zwar, der

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