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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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bis hoch zum Gürtel mit Blut bespritzt war, weil er wohl gerade eine Schlacht oder ein Übungsimperium oder etwas Ähnliches unterbrochen hatte, um hier mit mir Wurm zusammentreffen zu können. Vom ersten Augenblick an hasste ich die Arroganz, die wie Schaum von jeder seiner Bewegungen und Worte troff.
    Er wies mich darauf hin, dass ich nicht wert sei, die Scheiße seines Reittiers zu lecken. Ich entgegnete, dass es einfacher sei, ihn persönlich zu beschwören, als den Chef einer beliebigen McDonalds-Filiale zu sprechen. Spätestens ab jetzt war der Hass gegenseitig.
    Mein ganzes Leben lang habe ich mich immer gewundert über Bücher – egal, ob Romane oder Autobiographien –, in denen Leute Gespräche Wort für Wort wiedergeben, die Jahre zuvor stattgefunden haben. Ich könnte das nie, und ich denke, es ist auch immer nur ein Fake. Ich kann mich nicht mal an den genauen Wortlaut all dessen erinnern, was der Teufel a.k.a. Gott zu mir gesagt hat. Ich kann hier nur den ungefähren Inhalt wiedergeben, und auch den womöglich nicht mal in korrekter Chronologie. Vielleicht liegt das andererseits auch an den merkwürdigen Speech Patterns, die NuNdUuN in der Anfangszeit unserer Gegnerschaft vorwiegend benutzte. Er sprach in Reimen oder in bestimmten Rhythmen, er ließ unterschiedliche lebendige oder lang verweste Sprachen mit einfließen, und manchmal erfand er vielleicht sogar eine neue, während er sie benutzte. Ab und zu verstand ich überhaupt nicht, was er da gerade sagte, und hatte den Eindruck, ich müsste vielleicht nur jedes dritte Wort beachten und die dann hintereinanderlesen, um den Sinn decodieren zu können. Er tat all dies natürlich, um anzugeben, um mich auf die Plätze zu verweisen, um die Überlegenheit eines jahrtausendealten Intellekts zu demonstrieren. Je länger wir uns dann kannten und kennen – im Verlauf des eigentlichen Spiels –, desto mehr gab er diese Angewohnheit auf. Wie Widder bewegte er sich mit der Zeit auf meine profane Ebene zu. Das mag ein Zeichen der Vertrautheit sein oder einfach eine einlullende Falle, mir ist das ziemlich wurscht, beides funktioniert nicht bei mir, wenn es um NuNdUuN geht.
    Jedenfalls kam ich mir bei den ersten Unterredungen schon wieder vor wie bei einem Bewerbungsgespräch. Er fragte mich über magische Grundfertigkeiten und -kenntnisse aus und ließ nie erkennen, ob er mit meinen Antworten zufrieden war. Ich sollte ihm demonstrieren, dass ich in der Lage war, mit dem Geist eines Verstorbenen Kontakt aufzunehmen. Ich versuchte, meine vollmondnächtlichen Reigenpartner wiederzufinden, aber sie wichen mir aus, sträubten sich, hatten womöglich Angst vor meinem dunklen Gast. Also sagte ich ihm, dass ich für derlei Kaffeekränzchenokkultismus keine Zeit hätte. Er lachte und versprach mir in Zukunft Zugang zu astralen Energien des Fließes zu einem besonders freundlichen Vorzugspreis, falls ich wieder mal arkanische Potenzprobleme haben sollte. Auf dieses Angebot bin ich übrigens während meiner ersten Spielpunkte mehrmals zurückgekommen, bis ich dann irgendwann kapierte, dass sein »besonders freundlicher Vorzugspreis« den Tod vieler Unschuldiger bedeutete. Seitdem versuche ich, ohne Fließenergie auszukommen. Aber ich schweife schon wieder ab.
    Er fragte mich, was ich über das Spiel wisse, und ich versuchte, ihm das bisschen, was ich wusste, möglichst aufzubauschen. Er fragte mich, ob mir klar sei, dass ich das Spiel nicht spielen könne, wenn es gerade jemand anderen gab, der es spielte, denn es konnte immer nur einen Spieler gleichzeitig geben, erst, wenn dieser scheiterte, durfte ein Nachfolger sich versuchen. Ich erschrak damals, denn ich hatte keine Ahnung, ob das Spiel gerade von jemandem gespielt wurde, oder ob es brachlag. Er fragte mich, ob ich mir sicher sei, dass ich es wirklich wagen wolle. Ich sagte: Klar. Er zählte ein paar der Katastrophen auf, die die Menschheitsgeschichte nur deshalb bereichert hatten, weil gerade wieder einmal ein Spieler das große Spiel verloren hatte: Allein in diesem Jahrhundert waren da die Titanic , das große Erdbeben von Tokio, der Hiroshima-Irrsinn – weshalb eine bewohnte Stadt bombardieren, wenn zur Abschreckung eine Zündung über dem offenen Meer auch gereicht hätte? –, die Napalm-Partys von Vietnam, die große Dürre in Äthiopien und der Warnschuss namens Tschernobyl – ein Spieler, der schon beim ersten Punkt zermahlen worden war – zu nennen. Ich sagte: Scheiß drauf, wird mir nicht passieren.

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