Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer
Also erzähl mir keinen Dreck von irgendwelchen verfolgten armen Schwarzen. Wahrscheinlich ist der Typ hier ein Tutsi, der mit einer hirntriefenden Machete in der Hand bis zu den Knien in zerhackten Hutuleichen gewatet ist und dabei lachend weitergemordet hat. Ihr könnt mir nichts vormachen. Eure scheiß Strategien sind so durchsichtig wie Glas.«
»Nein, nein, das sind sie nicht! Du hast recht, wir haben die ersten elf Leute so ausgesucht, dass du einfach kotzen musst, wenn ich sie dir vorstelle. Meisterwerke des Stumpfsinns und der Hoffnungslosigkeit. Und das Geniale daran ist: keine hohen Tiere. Keine Politiker oder Tierexperimentatoren oder Nuklearforscher oder Automobillobbyisten oder Fleischbarone oder so was in der Richtung. Da wäre der Hass dann nun doch zu simpel gewesen. Nein, ganz einfaches Material von den Straßen dieser Stadt. Elf von allen. Elf wie alle. Aber es wäre viel zu billig gewesen, dir nach elfmal Mist die Ablehnung so leicht zu machen. Der zwölfte, der Schwarze, ist tatsächlich ein guter Mensch, er erfüllt alle Klischees der politisch Korrekten: Er ist schwarz, jetzt arm, verfolgt, man hat ihn gefoltert, und er ist fleißig und ohne Hass. Nur so kann das ›Nein‹ dich wirklich schmerzen, Spieler Montag.«
»Ihr Dreckschweine.«
»Oh, niemand hat dir versprochen, dass das Spiel eine lustige Sache werden wird. Du hast dich doch freiwillig dafür entschieden. Du bist vielleicht ein Masochist, und wir tun dir sogar einen Gefallen, oder? Gib’s doch zu!«
Hiob fing an, Remmert zu schlagen, der aber biss die blutigen Zähne zusammen und wehrte sich nach Kräften. Es wurde kein macho-mäßiger Faustkampf draus, eher eine peinliche Balgerei mit Patschen und Ächzen und dem beiderseitigen Versuch, dem anderen möglichst oft das Knie in die Eier zu rammen. Jango Edwards gegen Jerry Lewis – so in etwa.
Der Bus fing an zu schlingern. Die Passagiere reagierten nicht, auch dann nicht, wenn sie von einer verirrten Faust getroffen wurden.
Der Kampf wogte hin und her, wurde mal gegen die rechte, dann wieder gegen die linke Innenwand des Busses geworfen. Hiob und Mogens Remmert rollten schließlich, ineinander verkeilt, die steile Treppe runter. Jeder litt dabei ziemlich starke Schmerzen, jeder hatte aber das gute Gefühl, den anderen die Treppe runtergeschmissen zu haben. Unten blieben sie schwer atmend liegen. Ihre Kräfte waren gegeneinander erschöpft.
»Du kannst mich nicht besiegen, Montag«, stöhnte Remmert. »Ich arbeite für’s Wiedenfließ. Ich bin stärker als du.«
»Du bist ein ... Nichts, eine ... Null, eine völlige ... Niete.«
»Ich bin wenigstens nicht blöd genug, mir allen Ernstes einzubilden ... mich nach oben arbeiten zu können, indem ich ... NuNdUuNs Gegner bin. Wir wollen beide dasselbe, Montag, aber nur ich werde es schaffen.«
»Glaubst du denn wirklich«, höhnte Hiob schwer atmend, »dass es dir möglich sein wird, dich in der Rangfolge des Fließes bis auf NuNdUuNs Thron vorzuarbeiten? Das wird er niemals zulassen, dazu ist er viel zu gerissen. Allzu aufstrebende und ehrgeizige Untertanen werden vorsichtshalber einen Kopf kürzer gemacht. Das ist wie bei der Mafia, dasselbe System. Nein, es gibt nur einen einzigen Weg, auf den Thron zu kommen: Man muss sich die Privilegien des Spielers zunutze machen.«
»Welche scheiß Privilegien sollen das denn sein?«
»Er darf mich nicht direkt angreifen, zum Beispiel. Er muss mir sogar Energie bereitstellen, zum Beispiel. Ich kriege Informationen aus bester Quelle, zum Beispiel. Ich bin auf herkömmliche Weise nicht mehr umzubringen, zum Beispiel. Ich altere langsamer als andere Menschen, zum Beispiel. Ich habe prima Gelegenheiten, dem ganzen Wiedenfließ-Abschaum solide gegen den Karren zu fahren, zum Beispiel. Und ich werde ernst genommen, zum Beispiel.«
»Das ist doch alles Babykram. Das sind doch nur Pseudo-Vorteile. Das einzig Gute, was du für dich rausgehandelt hast, ist, dass du eine Dämonin zum Bumsen bekommen hast. Aber das hab ich auch. Ich kann sogar fast jede Dämonin bumsen, die mir gefällt. Außerdem lebe ich wie Gott in Frankreich. Ich habe alle Privilegien, kann tun und lassen, was mir gefällt, während du jeden einzelnen deiner Tage in der kochenden Scheiße verbringst.«
Hiob wandte den Kopf und kriegte ein zynisches Grinsen hin. »Tolle Privilegien, die du da hast. Du bist NuNdUuNs Busfahrer. Toll!«
»Das mache ich nur nebenbei. Weil’s Spaß bringt.«
»Ach, mach dir doch nichts vor.«
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