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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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sonst wie in den Augen der Öffentlichkeit in Ungnade und Verachtung zu fallen.«
    »Schwer zu glauben. Byhn war ein verantwortungsvoller Mann. Er liebte den Orden und seine Loge mehr als seine eigene Tochter.« Hiob schlürfte.
    »Der Krebs verändert die Menschen, Junker Montag. Oder lassen Sie mich diese Aussage präzisieren: Der Krebs verstärkt die Eigenschaften, die einem Menschen innewohnen, auf geradezu unheimliche Weise. Ein Feigling wird vor dem Krebs in die Knie gehen, heulen und winseln und wie ein Feigling sterben. Ein mutiger Mensch wird dem Krebs den Kampf erklären und vielleicht sogar siegreich aus diesem Konflikt hervorgehen. Ein hasserfüllter Mensch wird hassen wie noch nie, ein liebender Mensch durch seine Güte alle um ihn herum beschämen. Einem suchenden Menschen jedoch – und ein solcher war Wilhelm Byhn, ein Forscher und Dränger wie wir alle im Orden – einem suchenden Menschen wird die Suche zur Besessenheit werden, und er wird alle Schranken fällen, die sich ihm bei der Findung der Lösung in den Weg stellen mögen. Das Allerschlimmste, was jemandem passieren kann, der einen goldenen Pfad zu erkennen glaubt, ist, dass man ihm die Lebenszeit verwehrt, diesen Pfad bis zum Ende zu beschreiten. Der alte, der eigentliche Wilhelm Byhn, war ein großherziger Wohltäter und Erforscher. Der neue Byhn, Wilhelm Krebs-Byhn, wie ich ihn nennen möchte, war ein Wahnsinniger, ein Rasender, und er riss uns fast alle mit sich in den Abgrund.«
    »Was genau hat er denn getan?«
    Hellberger trank seine Tasse leer und stellte sie ab. Er schien darüber nachzudenken, ob er noch eine Kanne besorgen sollte. »Experimente, wie ich schon sagte. Wilhelm ... war besessen von der Idee, gegen den Tod anzukämpfen, die Unsterblichkeit zu erlangen, das ewige Leben zu finden, was weiß ich. Er sprach mit niemandem im Detail darüber, machte auch keine Aufzeichnungen, sagte immer: ›Erst muss alles hieb- und stichfest sein, ich will keine Halbwahrheiten verbreiten‹.«
    »Was für Experimente?«
    »Ungesetzliche Vorgänge. Er experimentierte mit Voodoo-Druidismus herum, hier in diesen Räumen. Holte sich dafür Leute von der Straße, denen er Geld gab. Zweimal kam es zu Zwischenfällen, beide Male mussten wir alles vertuschen.«
    »Todesfälle?«
    »Nein, nein, gottlob keine Todesfälle. Aber Verletzungen, ernsthafte Blutungen. Wir kümmerten uns um Wilhelms Versuchspersonen, trugen Sorge, dass sie in kein Krankenhaus gingen oder etwas Entsprechendes. Die Polizei durfte nicht erfahren, dass im Logenhaus Menschenversuche durchgeführt wurden. Nein, das ist nicht präzise formuliert: Es durften im Logenhaus keine Menschenversuche durchgeführt werden. Wir sind keine Schwarzmagier-Organisation, Junker Montag, Sie wissen das. Wilhelm missbrauchte dieses Haus. Er war Großmeister, deshalb hatte er den Einfluss, ungefragte Dinge tun zu können. Es war schrecklich.«
    »Bei ihm in der Wohnung sind nur chemische Experimente. Keine Spuren von irgendetwas Großem.«
    »Natürlich nicht. Würden Sie denn im Familienhaus dem letzten aller Geheimnisse nachspüren? Nein, er nistete sich hier ein. In seinem Raum und unten im Keller. Die Tierversuche machte er unten im Keller. Er ließ sich von irgendwelchen dubiosen Tiertransporten Rinder und Schweine kommen und vivisezierte sie dann. Furchtbare Dinge spielten sich da ab.«
    »Das ist ja wirklich kaum zu glauben.«
    »Sehen Sie, er hatte ja schon vorher, vor seiner Krankheit – Sie wissen das ja vielleicht – dieses Faible für das Ewige Leben und seine Ausprägungen gehabt. Er stellte da die abenteuerlichsten Theorien auf. Aber als dann der Krebs kam ... erschien ihm diese Krankheit wie ein Fingerzeig des Schöpfers, verstehen Sie? Wie eine Bestätigung dafür, dass er auf dem richtigen Weg war. Nur dass er jetzt nicht mehr allgemein und abstrakt forschen musste, sondern ganz konkret und zielgerichtet an sich selbst, auf die Überwindung seines eigenen allgegenwärtigen Sterbens hinarbeitend. Er steigerte sich in eine Art Rausch hinein, der durch die vielfältigen Medikamente, die er gegen die Schmerzen einnehmen musste, natürlich noch gesteigert wurde. Einige unserer Ordensbrüder erzählen sich grässliche Gerüchte von Wilhelms letzten Monaten. Dass er sich auf den Intensivstationen von Krankenhäusern herumgetrieben habe, um anderen beim Sterben zuzusehen. Dass er in einem pathologischen Institut gegen Bezahlung Obduktionen beigewohnt und sogar selbst welche durchgeführt

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