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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Innereienblutes und der der chemischen Pülverchen und Flüssigkeiten. Es roch ein bisschen, wie wenn man einen staubbedeckten Heizkörper auf Hochtouren anheizt, und der Staub darauf erhitzt wird und leicht verschmort. Als Hiob sich in dem Raum noch einmal umsah, war nirgendwo ein Heizkörper zu entdecken. Wie jedes Studierzimmer, das etwas auf sich hielt, verfügte auch dieses stattdessen über einen Kaminofen.
    In der magischen Lehre kannte man diesen Geruch unter dem Namen Maurisches Echo – ein nur olfaktorisch wahrnehmbarer Kometenschweif astral-energetischer Entladung.
    Hiob hatte genug Lovecraft-Geschichten gelesen, um sich dem einzigen Fenster des Raumes zuzuwenden. Vielleicht war von dort in der unseligen Freitagnacht irgendein tiefenmagischer Zaungast erschienen und hatte den Großmeister mit einem Fingerzeig von unirdischer Gewalt innerlich zerbersten lassen. Aber das Fenster war »sauber«, der Geruch hier eher am schwächsten. Dort, wo die meisten Schatten von Blutpfützen waren, dort, wo Byhn also gestanden haben musste, als es ihn endgültig erwischte – dort war das Maurische Echo am deutlichsten. Vielleicht hatte der Druide in sich selbst eine magische Implosion ausgelöst. Allein dieser Gedanke war widerlich. Hiob dankte Hardy matt. Alle waren wieder unten versammelt.
    Es war einfach schlimm da mit den leeren Gesichtern der Zurückgebliebenen, auch Hiobs Zahnschmerzen wurden wieder stärker. Er hatte das Gefühl, dass ganz hinten im Rachen, wo das Zahnfleisch eigentlich schon auf die Kiefersehnen stieß, sich noch tollwütige Backenzähne durchs rote Fleisch pressten, bis oben und unten nicht mehr zusammenpassten und er vielleicht den Mund nie mehr richtig würde schließen können. Er erkundigte sich unkonzentriert, warum die Beerdigung so schnell anberaumt worden war, und bekam nur wischi-waschi zu hören, dass dies wohl den letzten Wünschen des ja schon seit Langem Sterbenskranken entsprechen würde. Hiob verabschiedete sich, bekam von Hardys Händedruck beinahe sämtliche Fingerglieder gebrochen, verfing sich beim Zum-Gartentor-Schlingern mit dem Hemdsaum in einem wilden Rosenbusch und musste sich da erst mühsam grinsend wieder rausnesteln, dann war er fort. Es regnete jetzt stärker, das Regenwasser war ganz weich, wischte einem nur müde übers Gesicht. Wenn Hiob ausspuckte, hinterließ er rote Schlieren in den Pfützen.
    Der Tag schritt fort, aber Hiob mühte sich, Schritt zu halten. Es war jetzt kurz nach elf Uhr vormittags, und er war beim Logenbüro des Druidenordens angekommen. Die Fensterfront – nicht gerade in einem verwunschenen Hexenhäuschen oder in einem magischen Turm, sondern in einem ganz normalen, hellen Geschäftsgebäude in Alt-Moabit – kannte er noch von früher, und ebenfalls von damals her wusste er noch, dass am heiligen Sonntag hier immer volles Haus war.
    So auch heute. Der Hauptraum war voller kurzhaariger Ordensbrüder in ziviler Beerdigungskluft. Hiob suchte ein bekanntes Gesicht und fand schließlich eins.
    Gerhard Hellberger war damals zuständig gewesen für Logistik, Kalenderführung und interstädtische Veranstaltungen, und das war heute auch noch so. Ein fast verschwindend kleiner Mann, war Hellberger doch eine einprägsame Erscheinung: Er hatte kühne, fast theatralische Gesichtszüge und einen durchbohrenden Blick von eisblauer Farbe. Wäre ihm die Gabe gegeben worden, ein geschickter Redner zu sein, hätte er es bestimmt weit bringen können im Orden. So aber bekleidete er nur einen dubiosen Rang – irgendwas wie Unter-Ober-Seitenmeister –, und seine Stimme war darüber noch rauer und fisteliger geworden als noch vor ein paar Jahren.
    »Junker Montag? Seh ich denn recht? Wir haben uns ja schon mindestens ...«
    »Fünf Jahre.«
    »... fünf Jahre nicht mehr gesehen.« Händeschütteln, ehrliche Freude, aber auch ein wenig Besorgnis in Hellbergers Augen wegen Hiobs etwas derangiertem Äußeren. »Ich habe mir schon fast gedacht, dass ich Sie heute wieder zu Gesicht bekommen würde, aber ich dachte eher, später ...« Auch Hellberger war bereits beerdigungsfein gekleidet.
    »So nach dreizehn Uhr, ich weiß.« Hiob lächelte. » Ich konnte nicht warten.«
    »Ihr so unerwartetes Auftauchen steht aber dennoch in Zusammenhang mit dem Übertritt unseres Bruders Byhn?«
    »Mit dem Übertritt, ja.«
    »Das ist eine sehr traurige und für alle Beteiligten schmerzhafte Angelegenheit gewesen.«
    »Das möchte ich wetten. Sagen Sie, gibt es hier irgendwo eine

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