Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
sportiven Schlacks offensichtlich sympathisch fand. (Außerdem: Fotograf – was für ein Beruf sollte das denn sein? Einen Fotoapparat hatte Thilo ebenfalls, und er machte auch auf dieser Reise schöne Fotos damit. Deshalb wäre er aber doch noch nie auf die Idee gekommen, sich als Fotograf zu bezeichnen.) Aber Achtmann hatte eine glückliche Hand mit Kindern, er zauberte einen kleinen flachen Schokoweihnachtsmann aus Antjes Ohr hervor und versetzte die beiden Kleinen damit in unbesinnliche Begeisterung. Thilo blieb keine Wahl mehr. Sollte es überhaupt noch dazu kommen, dass sie die Blockhütte erreichten, würde der Fotograf mitkommen.
    Am Morgen des Heiligen Abends war es so weit. Ein uraltes, rußiges Räumfahrzeug auf Ketten war nach Sicheln durchgebrochen und erst auf dem Rückweg irgendwo stecken geblieben. Mithilfe von guten Schneeketten und gelegentlichem Schieben konnte man ein Gutteil des Weges im Wagen zurücklegen. Die Sarpats machten sich zusammen mit Nick Achtmann auf den Weg. Die mehr als zwei Meter aufragenden Schneewälle links und rechts verwandelten die Straße in eine hypertrophe Bobbahn, und Thilo, der trotz teurer Sonnenbrille das Gefühl hatte, im allgegenwärtigen Gleißen blind zu werden, durfte mehrmals auskosten, was es bedeutet, wenn ein Allradantrieb seitlich wegrutscht. Der wiederkehrende Moment des Keine-Kontrolle-mehr-Habens war herzkrampfverdächtig.
    Nach drei Vierteln der zurückzulegenden Wegstrecke ging es nicht mehr weiter, zumindest nicht ohne einen Seilzug, und der war hier nirgendwo in Sicht. Friederike und die Kinder quengelten, malten Teufel an die Schneewände derart, dass man den Wagen vielleicht nie mehr wiederfinden würde, wenn man ihn jetzt hier zurückließe und es dann wieder anfange zu schneien. Thilo, der sich jetzt mit derselben Grimmigkeit, mit der er über Sammelbestellungsrabatte zu feilschen in der Lage war, entschlossen hatte, sich nun durch nichts mehr von seiner wohlverdienten Weihnacht in der Hütte abbringen zu lassen, lud die Geschenke und die Lenggrieser Vorratseinkäufe auf einen in Lenggries erstandenen Zugschlitten um, und weiter ging’s, stapfend durch stellenweise meterhohe Schneeverwehungen. Nick, der ebenfalls dafür gewesen war, nicht umzukehren, vermerkte die Position des Autos auf einer der sehr detaillierten Wander- und Wintersportkarten, setzte sich Nils auf die Schultern wie Thilo Antje, und so bahnten sie sich ihren Weg, der Besinnlichkeit und dem Christfest entgegen. Wenn der Schnee nicht so arschkalt in die Schuhe gemantscht wäre und Friederike nicht dauernd genörgelt hätte, dachte sich Thilo, hätte es eigentlich ein männlich-kerniges Abenteuer sein können.
    Der Wind kam meistens von vorne und führte Schnee mit sich, die Flocken fielen von Stunde zu Stunde dichter.
    Man stelle sich die Erschöpfung der fünf Weisen vor, als sie nach stundenlangem Marsch, der sich aufgrund einiger Unpassierbarkeiten länger und länger hingezogen hatte, in der schon herabflockenden Heiligen Abenddämmerung die Hütte zu sehen bekamen, und man stelle sich ihre Überraschung vor, als sie gewahrten, dass in der Hütte Licht brannte und Rauch sich munter aus dem Schornstein kräuselte!
    »Die falsche Hütte, hm?« Nick grinste unter verschneiten Augenbrauen hervor. »Scheiße, quatsch, die falsche Hütte«, schnauzte Thilo, »wir kommen jedes Jahr hierher, da werde ich doch wohl unsere Hütte wiedererkennen! Das ist sie! Und ich habe den einzigen Schlüssel dazu in meiner Tasche, habe ich gestern erst in Lenggries abgeholt. Das bedeutet ...«
    »Das bedeutet?«
    »Du bist doch hier der Fotograf. Warum schleichst du dich nicht ran und kuckst mal, wer sich’s da auf unsere Kosten gemütlich macht?«
    »Okay. Wartet hier in der Deckung der Bäume.«
    »Ho, Moment«, stutzte Thilo, den es wunderte, dass Nick nichts dagegen hatte, den Kundschafter zu mimen. »Das ist meine Hütte, also gehe auch ich nachsehen. Du passt auf Friederike und die Kinder auf.«
    Nick zuckte die Schultern. »Du bist der Boss.«
    »Aber beeil dich«, schniefte Friederike. »Ich bin bis auf die Knochen durchgefroren, und den Kindern« – die gerade mit der Schneeballschlacht fortfuhren, die sie den ganzen Weg über schon, Schnee von den schwer beladenen Baumästen klaubend, vom Rücken ihrer Träger herab ausgefochten hatten – »geht’s auch nicht besser. Wir werden über Silvester alle Grippe haben, das kann ich dir schon prophezeien.«
    Thilo setzte Antje ab und stapfte

Weitere Kostenlose Bücher