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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Wiedenfließ betrügt jeden, der etwas von ihm will. Die einzige Möglichkeit, vernünftig mit dem Fließ umzugehen, ist, sich in eine herausragende Position zu begeben, einen an uralte Regeln gebundenen Gegnerschaftsvertrag abzuschließen, so, wie ich das getan habe. Aber als Druide kriegt man das nie hin. Als einfacher Magier bleibst du immer nur Spielball der Diener aller Höllen. Und jetzt sieh dich an. Sieh dir diesen stinkenden, verrottenden Körper an. Warte, das ist noch nicht alles.« Mit einer Hand griff Hiob um den Spiegel herum und begann, Byhns Totenanzug und sein Totenhemd aufzunesteln. Der Leichnam war zu träge, zu sehr in Bann geschlagen von der Verarbeitung seines Spiegelbildes, um sich zu wehren. Was unter dem Hemd zum Vorschein kam, war so ekelerregend, dass Hiob Brechreiz in sich aufwallen spürte. »Sie haben dich seziert, um deine Todesursache rauszufinden«, sprach Hiob weiter, mit von verengter Speiseröhre belegter Stimme. »Siehst du, wo sie dich aufgeschnitten haben und nur provisorisch wieder vernäht? Das fängt schon an zu faulen, hier. Die schwarze Suppe, das ist Verwesung. Die prallen Krebstumore hier, kannst du sie sehen? Sie sind hart geworden und aufgeplatzt. Was meinst du, wie das weitergeht in den nächsten Tagen? Lass erst mal die warme Sonne auf dich scheinen, dann fängst du an aufzuquellen wie eine Wasserleiche. Und dann kommen die Fliegen. Sie legen Eier in dir ab, und die Maden fressen dich dann bei lebendigem ... nein, aasigem Leib. Wenn du dich riechen könntest ... kannst du dich riechen?«
    Byhn glotzte nur, klaubte mit zerrissenen Fingern an seinem offenen Bauch.
    »Ja, das musst du regelrecht festhalten, damit es beim Gehen nicht alles rausrutscht. Erinnerst du dich noch an die chinesische Weisheit, Meister Byhn? Erinnerst du dich noch? Heute Morgen erhebt sich wieder der Wind. Ist das wie der Wind? Bist du wie der Wind? Ist das die Auferstehung des Windes? Schleppt der Wind etwa einen zerfallenen Unrathaufen als Körper mit sich rum? Ist das die Natur des Windes? Und wie ist es mit den Prophezeiungen aus der Bibel? Wo ist die große Macht und Herrlichkeit, die du erwartet hattest? Findest du das hier etwa herrlich und machtvoll? Bist du verrückt geworden? Ist das dein Problem? Hat der beschissene kleine Krebs dich so fertig gemacht, dass du dich um jeden Preis an diesem Scheißhaufen hier festklammern willst?« Er stieß Byhn mit der Hand grob gegen die Schulter. Der Leichnam kippte ein Stück nach hinten, der sabbernde Kopf blieb gesenkt. »Das ist doch wirklich kaum zu fassen. Früher habe ich Respekt vor dir gehabt, und das weißt du. Aber jetzt, wo du die Möglichkeit hattest, alles hinter dir zu lassen, ganz Seele zu werden, das Nirvana jedes intelligenten Suchers zu erreichen, da machst du dich hier zum Hanswurst, schleppst dich als schleimiges Monster durch die Gegend, bis du ganz in dich zusammenfällst. Und der Fürst des Wiedenfließes, der niemand anderer ist als dein Krebs, lacht Tränen über dich. Noch in Jahrhunderten wird man sich im Fließ Witze erzählen über den alten Druiden Byhn, der stinkend durch die Gegend triefte und dachte, das wäre das Ewige Leben nach dem Tod.«
    Der Leichnam hob den Kopf und stierte Hiob mit unpassend müder Miene entgegen. Seine Kehle röchelte wieder kalten Schleim hoch, als würde er sich räuspern. Er wollte etwas sagen, vielleicht den Argumenten seines ehemaligen Schülers mit eigenen Argumenten entgegentreten, Argumenten aus seiner Sicht, der Sicht eines Mannes, der am Magenkrebs krepiert ist. Aber es ging nicht. Das Räuspern nahm kein Ende mehr, ging in eine Art pladderndes Kotzen über. Zu viele Innereien mussten zusammenarbeiten, um Sprache zu erzeugen. Allein die Lunge war schon zu klebrig zusammengefallen, um noch Luft transportieren zu können. Byhn konnte nicht mehr sprechen. Der Großmeister war stumm geworden. Und ja, er konnte sich riechen. Er konnte die schimmlige Gülle riechen, die aus seinem Rektum tröpfelte, unaufhörlich, nur noch dem Gesetz der Schwerkraft gehorchend.
    Er ließ sich zurückfallen auf das Grab und begann wieder zu scharren. Kopfüber wollte er sich zurückwinden, dabei fortwährend ein fast schluchzendes Röcheln ausstoßend. Da Hemd und Anzug ihn vorne nicht mehr zusammenhielten, verlor er einige angelaufene Teile.
    Es war vorbei, der Bann gebrochen. Der Traum vom Leben endlich ausgeträumt. Hiob blieb nur noch, dem sich mühenden Kadaver die letzte Handreichung zu bieten. Er

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