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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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zwischen dem ganzen Gänsefleisch auf den Tisch schmeißen und es ihr von hinten besorgen, hier, vor aller Augen, um seine Besitzansprüche klarzustellen. Er bekam einen Ständer. Ihm wurde schlecht. Musste Klingglöckchenklingelingeling so laut sein, so scheppernd? Als Nils mit seiner Medieval-Batman-Actionfigur in der Rotkohlschüssel rumstampfte, wäre Thilo beinahe die Hand ausgerutscht, aber er fürchtete, beim Ausholen kotzen zu müssen. Er stand auf, stieß sich dabei schmerzhaft den Unterleib an der Tischkante, taumelte auf verstreutem Geschenkpapier schlitternd herum und riss schließlich ein Fenster auf. Er streckte den Kopf raus ins Schneetreiben und atmete tief Eis ein.
    Von vorne schoss etwas durchs schwarze Gestöber auf ihn zu, eine deformierte Fötusschnauze mit Piranhazähnen. Gleichzeitig packte ihn jemand am Gürtel und riss ihn nach hinten, sodass Thilo hart auf den Arsch fiel und mit dem Kopf gegen seinen eigenen Stuhl rummste. Er war benommen wie von einem Kinnhaken. Der ihn gepackt hatte, war George, und der schlug jetzt auch das Fenster zu. Etwas fleischig Hässliches prallte von außen gegen die Scheibe, klebte kurz vorm Fenster wie ein missgebildeter Saugnapf-Garfield und war dann weg. Nick lief um den Tisch herum zum Fenster, Friederike lachte, wohl, weil ihr Mann hingefallen war, wie komisch, hahaha-haha.
    »War was draußen?«, fragte Nick George atemlos.
    »Wölfe«, meinte George nur. »Oder etwas Ähnliches. Hab ich doch gleich gesagt.«
    »Wölfe, eh?« Nick und George maßen sich mit Blicken. Da Nick aber draußen nichts mehr erkennen konnte, trollte er sich wieder zu seinem Stuhl. Auch Thilo rappelte sich wieder auf und rieb sich den Hinterkopf. »Verdammter scheiß Penner«, brummte er vor sich hin. Sein Kotzdrang war verflogen. Schwindlig war ihm jetzt. Was fiel diesem George denn ein? Musste er sich so was bieten lassen? Friederike lachte immer noch. Dumme, fett werdende Sau. Thilo wischte sich mit der Hand übers Gesicht. Was zum Teufel war das da draußen am Fenster gewesen?
    Es ist ein Ros’ entsprungen und Vom Himmel hoch da komm’ ich her wechselten sich ab, und Thilo wurde wieder heulig-sentimental zumute. Er schöpfte sich noch eine Tasse Glühwein aus dem großen blauen Topf in der Kochzelle und betrachtete voller Liebe seinen kleinen Engel Antje und seinen schon großen Engel Nils. Hübsche Kinder waren das. Seine. Alle bis auf ihn saßen jetzt am Tisch und ließen sich Bratapfel mit Vanillesauce schmecken. Rosinen und heißes Apfelfleisch.
    Draußen veränderte sich das Licht, so, als ob gerade ein Teil der Milchstraße verloschen wäre. Thilo ging zum Fenster, spähte raus, konnte aber nichts sehen. Alles dunkel da draußen, bis auf den Schein des Fensters selbst und einen leichten Abglanz ihres im Freien stehenden Tannenbaums. Schließlich wurde ihm klar, was sich verändert hatte. »Komisch«, brummte er, »in der anderen Hütte sind die Lichter ausgegangen.« – »Was?«, fragten George und Nick gleichzeitig und standen schon neben ihm. »Zu Bett gegangen?«, fragte der Fotograf. »Dann würde der Baum vor der Hütte aber noch leuchten«, behauptete George. »Hm. Vielleicht’n Kurzschluss.« – »Vielleicht. Scheiße. Wer wohnt denn da?« – »Auch ’ne Gastfamilie«, gab Thilo Auskunft. »Hessen, glaube ich. Zwei Hessen mit einem Sohn.« – »Scheiße«, fluchte George wieder. Sein Atem roch nach Bourbonvanille. »Nils, komm, hilf mir mal bitte.« George und Nils verschwanden zusammen in der Luke zum Kellerraum. Kurz darauf ging auch in dieser Hütte alles Licht aus, dann aber wieder an, wieder aus, wieder an, wieder aus, wieder an, wieder aus und wieder an. Antje lachte und klatschte in die Hände. Der Radiogesang war jedes Mal ungerührt wiedergekommen. Ihr Weihnachtsmann machte Wunder.
    »Was soll der Schiet?«, fragte Thilo, als sein Sohn und der Ökoeinbrecher zum Vorschein kamen und den Läufer wieder rüberrollten.
    »Das sind Leuchtzeichen«, meinte Nick aufgeregt. »Wir sind verdammt noch mal in der falschen Hütte.«
    »Du weißt, was hier abgeht, stimmt’s?«, fragte George den Fotografen, als er an ihm vorbeiging, wieder Platz nahm und fortfuhr, den erkaltenden Bratapfel zu vertilgen.
    »Ich kann’s mir denken«, gab Nick zu. »Wir sollten jetzt jedenfalls nicht hier rumsitzen und futtern, wir sollten uns wappnen.« Er fing auch gleich damit an. Wappnen bedeutete bei ihm, dass er seine Fotoausrüstung klarmachte und ein Stativ installierte in

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