Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer
sollten ihren Spaß haben. Thilo wollte nicht hassen.
Thilo machte mit seiner eigenen Canon ein paar Fotos. Nick – den man dazu erst überreden musste (was für eine schlendrianische Arbeitsauffassung) – machte auch ein paar Fotos mit seinem Nikon-Gestrüpp. Friederike und Nick bereiteten die Gans zu. Dabei berührte Nick Friederike öfter, als zum gemeinsamen Kochen unbedingt nötig war. Thilo sang mit den Kindern und ließ sich von ihnen auswendig gelernte Gedichte aufsagen. George saß die meiste Zeit herum oder stand an einem der Fenster, spähte hinaus und zum Himmel hinauf, der schneiend bedeckt war. Antje und Nils nötigten ihn schließlich, ihnen mal eine von seinen Reisigruten zu zeigen. »Ihr seid doch keine bösen Kinder, die sind nur für böse Kinder«, wehrte er lachend ab, aber er hatte keine Chance gegen die zwei. Thilo war gespannt, als George zu seinen Säcken ging und sie so aufwurstelte, dass er mit dem Körper den Blick darauf verdeckte. Als die Säcke wieder sichtbar wurden, waren sie wieder fest übereinandergestülpt, und George hatte tatsächlich zwei Reisigruten in der Hand. Beide waren mit roter Farbe besprüht. Sie lachend mit angedeuteten Schlägen versohlend, trieb er die beiden quiekenden Kinder durch die gute Stube. Von da an war Antje davon überzeugt, dass George der Weihnachtsmann war. Für sie passte da alles zusammen. Er war halt noch ein junger Weihnachtsmann , deshalb waren seine Haare noch nicht weiß und sein Bart noch nicht gewachsen.
Thilo starrte unterdessen die Greenpeace-Säcke an. Irgendetwas stimmte damit nicht. Da war noch etwas anderes drin als nur Reisig. Die rote Farbe der Reisigästchen sah auch seltsam aus.
Die Weihnachtsmusik erreichte maximale Inbrunst. Draußen war es jetzt unheilig finster geworden. Drinnen war Bescherungszeit. Unter Bergen von teurem Verpackungsmüll tauchten die verschwitzt glänzenden Kinder wieder auf, jeder mit anderen, Disney-Filmen und Fernsehserien nachempfundenen Plastikfiguren und Action-Spielsätzen in Händen, Nils zusätzlich noch mit zwei neuen CD-ROMs für seine Sony Playstation, Antje mit zwei neuen Hund-namens-Beethoven-Videocassetten. Die Eltern beschenkten sich gegenseitig mit Schmuck, Seife und Douglas-Duftwasser und lagen sich gerührt in den Armen. Nick, unverfrorener Galan, hatte »lediglich Gelegenheit gehabt, in Lenggries noch schnell eine Kleinigkeit für die Dame des Hauses zu besorgen«. Thilo erwartete schon fast, dass Kondome mit Noppen zum Vorschein kamen, aber die Kleinigkeit entpuppte sich lediglich als schäbige Phil-Collins-Musikcassette, wie man sie in jedem Heimwerkermarkt für 7,50 nachgeworfen bekam. Trotzdem bekam Friederike glänzende Augen und freute sich mehr als über das teure neue Lancome-Parfum, das er ihr geschenkt hatte. Thilo wären beinahe die Tränen gekommen, so unfair fand er es, dass die beiden jungen Macker ihm seine Heilignacht-Oase kaputt machten. Er wollte doch nicht hassen, nicht an diesem Abend, aber was konnte er denn anderes tun?
Selig und von seinem Schmuck leuchtend verschenkte Friederike hastig, aber liebevoll improvisierte Beutelchen voller Kekse und Nüsse an Nick und George. George hatte natürlich für niemanden was. George hatte nicht mal den Anstand, die beiden Ruten an die Kinder zu verschenken. George wollte die beiden Ruten wiederhaben, weil er sie noch brauchte, sagte er. Verdammter George. Was für eine Scheiß- Weihnacht . Der vor der Tür stehende Schrank vermittelte Thilo den Eindruck, in seiner eigenen überfremdeten Oase eingesperrt zu sein. Thilo sprach dem Glühwein zu, dem Glühwein zu.
Friederike servierte die Gans mit Rotkohl und weißen Klößen, und alle, alle hielten sich an dem von Thilo verdienten Geflügel schadlos. Auch der geschenklose George, der nicht einen einzigen Text eines einzigen Weihnachtsliedes beherrscht hatte, schlug seine guten Weltverbessererzähne in das zarte Gänsefleisch. Nick machte Fotos von Thilo, wie ihm Rotkohl aus der Fresse hing. Thilo schwitzte. Auch Friederikes Brüste waren ganz nass und schwappten im Ausschnitt aufreizend hin und her. Alle lachten über Nick und seine Fotografiererei. George rülpste und pulte in den Zähnen. Thilo sprach dem Glühwein zu. George verdrückte einen Kloß. Sah aus, als hätte der selbstherrliche Ökoagitator schon ewig nicht mehr so was Gutes gegessen. Friederike legte Nick etwas nach und zeigte ihm dabei ihre glänzende Tittenspalte. Schiet, Thilo wollte aufspringen und seine Frau
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