Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale
fortzufahren: Gestern hatte ich in Begleitung von Mira Pertini das zweifelhafte Vergnügen, Herrn Lausitz kennen zu lernen. Ganz offenbar wusste er, dass der Tenuta del Leone das Wasser bis zum Hals steht, also hielt er seine Stunde für gekommen, wollte aber zudem die missliche Situation von Luca Pertini ausnutzen und den Kaufpreis höchst unseriös drücken. Da habe ich den Spieß einfach umgedreht, was vielleicht leichtsinnig war …«
»Den Spieß umgedreht, perfetto, das gefällt mir.«
»… und ihm nicht nur eine Absage erteilt, wozu ich im Grunde gar nicht autorisiert war, sondern ihm umgekehrt ein Kaufangebot für seine eigene Fattoria gemacht.«
»Ein schöner Schachzug, eine Finte, die den Gegner verwirrt, zu einem Fehler provoziert. Perfetto, das entspricht genau dem Verhandlungsstil unserer Kanzlei. Signor Hermanus, Sie können bei uns anfangen.«
Hipp lachte. »Nein, vielen Dank. Übrigens sollte das keine Finte sein, ich denke, wir haben wirklich eine Chance, uns die Fattoria von Lausitz einzuverleiben. Roberto Valentino jedenfalls wäre sehr damit einverstanden, die Weinberge grenzen aneinander, das Investment der Valentino Winery würde sich aufgrund des höheren Ertrags wesentlich besser rechnen.«
»Aber warum sollte Lausitz verkaufen?«, fragte Balducci.
»Unter anderem, weil er schon bald sehr viel Geld für Rechtsanwälte benötigen wird.«
»Viel Geld für Rechtsanwälte? Das höre ich immer gerne.«
»Mit etwas Glück«, Hipp sah auf die Uhr, »wird er in gut vierundzwanzig Stunden in Untersuchungshaft sitzen und für einige Jahre in seiner Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt sein.«
»Perfetto. Was hat er angestellt?«
»Ich habe den dringenden Verdacht, dass er hinter einer Reihe von spektakulären Weindiebstählen steckt, die sich in den letzten Monaten ereignet haben. Was allerdings womöglich nur schwer zu beweisen ist.«
Balducci wedelte mit dem Handy in der Luft. »Kein Problem, wir nageln ihn fest, da können Sie sicher sein. Ich brauche alle Ermittlungsakten, die Namen der Geschädigten, nach italienischem Recht …«
»Ihr Engagement in Ehren, werter Dr. Balducci, aber ich hoffe, dass wir unseren Sportsfreund auf frischer Tat ertappen werden. Ich habe mir nämlich erlaubt, ihm eine Falle zu stellen.«
»Eine Falle? Perfetto! Sie müssen doch bei uns anfangen.«
»Ich kenne da einen sehr fähigen Maresciallo bei den Carabinieri …«
»Das gibt es?«
»Natürlich. Und auch eine Versicherung ist in den Plan involviert. Nun, ich möchte Sie nicht mit Details belasten.«
»Schade, ich liebe Details.«
»Jedenfalls sollten Sie bei Ihren Vertragsüberlegungen diesen Aspekt berücksichtigen und ein Augenmerk auf Dr. Lausitz richten sowie auf die Handlungsoptionen, die sich sehr schnell ergeben könnten.«
»Al cento percento. Wir werden uns nach erfolgter Verhaftung umgehend mit seinen Anwälten in Verbindung setzen und eine entsprechende Offensive starten. Ich muss mir nur zuvor von Mr. Valentino grünes Licht geben lassen.«
»Tun Sie das, er erwartet Ihren Anruf.«
»Perfetto. Ich muss weiter, ich brauche eine Unterschrift von Pertini. Außerdem habe ich einen Termin bei der Banca Agricultura. Und wenn ich in Montalcino diesem Dr. Lausitz begegne …«
»Dann halten Sie sich bitte zurück. Sie dürfen den Erfolg unserer Aktion nicht gefährden.«
Dr. Balducci lächelte schief. »Keine Sorge, das gehört zu unserem Geschäft. Aber vielleicht werde ich Signora Pertini raten, eine Anzeige wegen Nötigung zu erstatten. Ich möchte diesem Dr. Lausitz allzu gerne vor Gericht begegnen. Ich liebe es, arrogante Stronzi ins Kreuzverhör zu nehmen.«
»Könnte es sein, dass Sie ein kleiner Sadist sind?«
»Ein kleiner? Nein, als Anwalt bin ich ein wirklich großer Sadist.«
Hipp schmunzelte. »Darf ich ein Lieblingswort von Ihnen zitieren?«
»Das wäre?«
»Perfetto!«
64
F abri hatte Sabrina und seine Mutter zur Bank unter der großen Kastanie begleitet, um sie dann alleine zu lassen, weil er dringende Büroarbeiten zu erledigen hatte.
»Ein magischer Ort«, flüsterte Luciana.
»Die Bank ist neu, oder?«, fragte Sabrina.
»Ja, Fabri hat sie mir gebaut, aber dieser Platz unter der Kastanie, er war schon immer etwas Besonderes, seit Generationen.«
»Auf jeden Fall ist der Blick überwältigend schön.«
»Hier hat mich Gianfranco das erste Mal geküsst«, sagte Luciana.
»Wie alt warst du damals?«
Luciana errötete. »Sedici anni. Gott, das ist lange
Weitere Kostenlose Bücher