Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale
mit mir über meinen Vater reden. Sie hätten eine Idee, die …«
»Mittlerweile ist es mehr als eine Idee«, sagte Hipp, das Rotweinglas am Stil drehend. »Mich hat vor zehn Minuten Maresciallo Viberti angerufen. Er hat mich informiert, dass Ihr Vater soeben in Asti auf der Piazza Alfieri verhaftet wurde.«
Fabri wurde kreidebleich. »Mein Vater, Gianfranco? Verhaftet? Das kann nicht sein!«, entfuhr es ihm.
»Warum nicht?«, fragte Hipp mit hochgezogener Augenbraue.
»Weil, weil …«
»Weil Sie wissen, dass das unmöglich ist?«
»Ja, nein, ich meine …«, verhaspelte sich Fabri.
Hipp hielt ihm sein Handy entgegen. »Sie können gerne den Maresciallo anrufen.«
»Der Maresciallo ist ein Narr.«
»Finden Sie? Auf mich macht er einen vernünftigen Eindruck.«
Fabri schien in sich zusammenzusacken. »Ich kann nicht mehr«, sagte er, »mir wird alles zu viel. Ich schaffe es nicht.« Er sah auf die Gläser. »Wollt ihr nicht endlich den Barbaresco probieren, er hat ein raffiniertes Bukett, eine Duftkaskade von Lakritz und Himbeeren, etwas Schokolade, mit ausgeprägten Mandeltönen.«
Hipp roch am Glas. Er gab Sabrina, die gerade ihr Glas in die Hand nahm, ein Zeichen. »Nicht trinken. Stell den Wein wieder hin.« Und zu Fabri gewandt: »Ist das ein Wein im Stil Ihres Vaters, also traditionell gekeltert, auf althergebrachte Weise, oder trägt er Ihre moderne Handschrift?«
Fabri sah Hipp an. »Sie spielen auf unsere Weindegustation an? Ist einige Wochen her. Probieren Sie den Barbaresco. Sie sind doch so klug, Sie werden es schnell herausfinden.«
»Mir reicht die Nase. Dieser Barbaresco ist in der Tat außergewöhnlich. Wohl eher eine Kreation Ihres Vaters. Aber mir scheint, auch Sie haben Ihren bescheidenen Beitrag geleistet und den Wein sozusagen veredelt. Daher diese aufdringlichen Mandeltöne.«
»Nun probieren Sie schon!«, insistierte Fabri.
Hipp schüttelte lächelnd den Kopf.
»Sie machen es mir nicht leicht«, sagte Fabri.
»Sie machen es uns auch nicht gerade leicht«, entgegnete Hipp. »Vielleicht interessiert es Sie zu erfahren, dass sich Sabrina wieder an den Tag ihres Unfalls erinnern kann«, fuhr er fort.
Fabri blickte zu Sabrina. »Stimmt das? Oder ist das auch gelogen?«
Sabrina nickte. »Ja, das stimmt. Ich kann mich noch nicht an alles erinnern, aber an das meiste. Hipp hat mir auf die Sprünge geholfen. Fabri, wie du weißt, sind es keine schönen Erinnerungen. Ich glaube, ich hätte sie lieber auf immer vergessen.«
»Ja, das wäre besser gewesen«, flüsterte Fabri.
»Deinen Vater kann man nicht verhaften …«, sagte sie.
Fabri schüttelte traurig den Kopf. »Nein, kann man nicht.«
»Weil er tot ist«, sagte Hipp. »Das ist er schon lange, nämlich seit dem Tag, an dem auch Eva-Maria ihr Leben verlor.«
Fabri machte einen schnellen Griff hinter die Theke und hatte plötzlich eine doppelläufige Schrotflinte in der Hand, die er auf Hipp und Sabrina richtete.
»Wenn ihr schon alles wisst, warum seid ihr dann hier? Glaubt ihr, ich lasse euch wieder gehen? Trinkt endlich euren Wein!«
»Ist da der Rest der Blausäure drin, mit der Sie Schwester Margherita umgebracht haben?«, fragte Hipp, den die Schrotflinte nicht weiter zu beeindrucken schien.
»Ja, ganz genau«, bestätigte Fabri mit schmalen Lippen. »Die Menge sollte reichen. Ihr müsst nicht lange leiden.«
»Was hast du mit Gianfrancos Leichnam gemacht?«, fragte Sabrina.
»Die ersten Tage hatte ich ihn in einem der leeren Gärtanks versteckt«, gab Fabri bereitwillig Auskunft. »Wo er heute ist, das sage ich nicht. Niemand wird ihn je finden. Sabrina, du musst mir glauben, ich habe es nicht gewollt, es war ein Unfall.«
»Mit Eva-Maria?«
»Ja, mit Eva-Maria und mit dir. Ihr Tod hat mir das Herz gebrochen. Aber genauso wenig wollte ich meinen Vater töten. Er war ein Choleriker, er ist auf mich losgegangen, hat mich geschlagen, wollte mich vom Hof jagen.«
»Ich hätte es mir denken können«, sagte Hipp, »damals, bei unserer Weinprobe. Der sprichwörtliche Konflikt der Generationen. Als Traditionalist war er nicht einverstanden mit Ihren Neuerungen wie Maische-Erwärmung, Umkehr-Osmose, Kryoextraktion. Sie sind nicht der erste Sohn eines Winzers, und Sie werden nicht der letzte sein, der sich deshalb mit seinem Vater überwirft.«
»Ich glaubte, er würde mich töten, er hatte plötzlich ein Messer in der Hand. Ich musste mich wehren. Wir haben in der Cantina große Eisenklammern für die Barriquefässer.
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