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Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Titel: Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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Gehen begriffen«, sagte Dr. Lausitz, »aber merken Sie sich meine Worte: Nicht jedes Unglück kommt von selbst, oft hat eine höhere Macht ihre Hand im Spiel. Nennen Sie es Schicksal, oder glauben Sie an die Wege des Herrn, die unerforschlich sind, das ist Anschauungssache. Aber niemand, auch Sie nicht, lieber Luca Pertini, sollte sich dieser höheren Fügung widersetzen. Denken Sie darüber nach! Arrivederla, e le faccio le mie condoglianze.«

9
    E s war irgendwann nach Mitternacht, als Sabrina aufwachte. Das heißt, so ganz sicher war sie nicht, ob sie vorher geschlafen hatte. Oder schlief sie jetzt, und sie träumte nur, wach zu sein? Ihr Atem ging flach, hinter den Schläfen pochte es. Gott sei Dank hatte man die akustischen Signale an den Apparaturen abgestellt. Das stimmte doch? Ja, sicher, daran konnte sie sich erinnern. Außerdem war nichts zu hören. Daran erinnern? Sabrina ließ den vergangenen Tag Revue passieren. Ab jenem Moment, wo sie das Bewusstsein wiedererlangt hatte, konnte sie sich an alles erinnern, ganz genau, bis ins letzte Detail. Dieser Hipp, der im Auftrag ihres Vaters an ihrem Bett gesessen war. Von ihm ging eine große Ruhe aus, das hatte ihr gut getan. Dann die hektischen Arztvisiten am Nachmittag. Die dicke Stationsschwester Carlotta. Das Auswechseln der Infusionsflasche. Der neue Kopfverband. Der Besuch von Fabri, der ihr Blumen gebracht und begeistert vom Piemont erzählt hatte. Ein netter Kerl. Auf ihre Frage nach Eva-Maria antwortend, hatte er auch von ihr berichtet. Schien ein sympathisches Mädchen zu sein. Obwohl Fabri bei ihrem Namen irgendwie traurig geguckt hatte. Egal, sie freute sich schon darauf, ihre Cousine kennen zu lernen.
    Sabrina atmete tief durch. An alles konnte sie sich erinnern – ab heute! Aber was war vorher in ihrem Leben geschehen? Von Hipp wusste sie, dass sie Amerikanerin war, aber aus einer italienischen Familie stammte, mit einer Mutter aus Südtirol, weshalb sie offenbar gleich drei Sprachen beherrschte. Na ja, immerhin etwas. In welcher dachte sie eigentlich? Englisch oder Italienisch oder Deutsch? Sie war sich nicht im Klaren darüber. Ihr Vater lebte in Kalifornien und hatte gerade eine neue Herzklappe bekommen. Deshalb durfte er nicht fliegen, sonst wäre er schon längst hier, hatte Hipp gesagt. Ihr Vater? Sie hatte keine Erinnerung an ihn. Wie er wohl aussah? Groß oder klein, mit einem Bäuchlein, vielleicht hatte er eine Glatze, einen Schnurbart? Warum nur konnte sie sich an nichts und niemanden erinnern? Und was war eigentlich mit ihrer Mutter? Sie merkte genau, dass irgendetwas in ihrem Kopf nicht stimmte. Das war ziemlich beunruhigend.
    Sabrina sah zum weißen Vorhang am Fenster. Hatte der sich gerade bewegt? Da, ein flüchtiger Schatten an der Wand. Ein Geräusch, nur ganz leise, wie von einer Gummisohle auf Linoleum. Traum oder Wirklichkeit? Sie hielt die Luft an. Jetzt glaubte sie ganz deutlich zu spüren, dass sie nicht alleine war. »Hipp, sind Sie es?«, fragte sie mutig in den dunklen Raum. Eine Antwort blieb aus. War sie jemand, der sich im Dunkeln ängstigte? Schon seltsam, wenn man so wenig von sich wusste, sich selbst so vertraut war wie eine Fremde. Hatte sie sich als Kind gefürchtet, in den Keller zu gehen, konnte sie nur einschlafen, wenn Licht im Zimmer brannte? Oder war sie ein kleines Mädchen gewesen, das frohen Mutes pfeifend durch den finsteren Wald spazierte?
    Sie hörte erneut ein leichtes Quietschen schräg hinter ihr. Das war doch keine Einbildung? Jetzt pochte es nicht nur in ihrem Kopf, sie spürte auch ihr Herz schlagen. Am liebsten hätte sie sich aufgesetzt, das Licht angemacht und sich im Zimmer umgesehen. Aber da sie keine Ahnung hatte, wo der Lichtschalter war, blieb sie wie paralysiert liegen. Konnte es sein, dass sich jemand ganz langsam an sie heranschlich, im Zeitlupentempo? Mit welcher Absicht sollte jemand so etwas tun? Es sprach nicht viel dafür, dass ein solcher Besucher ihr nur einen freundschaftlichen Kuss auf die Stirn geben wollte, die zudem hinter einem Kopfverband verborgen war. Stattdessen glaubte sie zu sehen, wie jemand ein großes Kissen in der Hand hielt, um sie damit zu ersticken. Warum hatte sie solche Assoziationen? Gab es Feinde in ihrem Leben? Nicht einmal auf diese einfache Frage wusste sie eine Antwort. Oder hielt der unbekannte nächtliche Besucher statt des Kissens eine Spritze in der Hand, mit einem tödlichen Nervengift?
    Sabrina kniff die Augen zu. Vor ihr hing dieses Dreieck, an

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