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Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Titel: Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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dem sie sich hochziehen konnte. Sie konnte es im Halbdunkel ganz deutlich erkennen. Vor allem sah sie den Druckknopf, der mit einem Kabel in diesem Dreieck verknotet war. »Siamo sempre in servizio«, hatte die dicke Stationsschwester gesagt. Sie müsse nur auf den Knopf drücken, und Sekunden später helfe man ihr.
    Hinter ihr stand jemand, da gab es überhaupt keinen Zweifel. Sie glaubte den Atem zu hören, so nah war ihr dieser Mensch bereits gekommen. Also musste sie schnell sein, sehr schnell. Waren ihre Hände noch angegurtet? Nein, nicht mehr. Links waren die Infusionsschläuche angeschlossen, aber rechts konnte sie agieren, vor allem da ihr Arm, wie sie zu ihrer großen Erleichterung feststellte, nicht unter, sondern auf der Bettdecke lag. Wenn es ihr jetzt gelang, auf den Knopf für den Notruf zu drücken, wenn sie das Plastik zwischen den Fingern spürte, spätestens dann wusste sie, ob das gerade ein Traum war oder Realität.
    Ansatzlos schoss sie mit der rechten Hand nach oben, sich gleichzeitig aufstützend, schon den Knopf erreichend. Über der Tür ging ein rotes Licht an. Sie hörte im Flur ein Summgeräusch. Die Vase mit Fabris Blumen fiel zu Boden. Ein Schatten glitt die Wand entlang, die Tür wurde aufgerissen, sie sah, wie jemand ihr Zimmer verließ. Von hinten erkannte sie nur einen grünen Arztkittel und eine Haube, wie sie Chirurgen im Operationssaal trugen. Dann fiel die Tür ins Schloss. Jetzt war sie alleine, wirklich alleine. Sabrina ließ sich ins Kopfkissen zurückfallen und atmete tief durch. Das war kein Traum gewesen, keine Halluzination. Wer hatte da hinter ihrem Bett gestanden, was hatte er von ihr gewollt? Hatte er wirklich ein Kissen gehabt, um sie zu ersticken, oder eine tödliche Spritze? Oder entsprangen diese bedrohlichen Bilder ihrem durch den Unfall verwirrten Geist?
    »Hanno suonato, Sie haben geläutet. Geht es Ihnen nicht gut, was kann ich für Sie tun?« Die Schwester in der Tür machte das Licht an und kam mit einem freundlichen Lächeln auf sie zu. »Ich bin Schwester Margherita«, stellte sie sich vor, »die Nachtschwester.«

10
    F abri wischte sich mit der Serviette den Mund ab. »Grazie, Mamma, il risotto era buonissimo«, lobte er gewohnheitsmäßig die Kochkünste seiner Mutter. Er saß ihr an dem Holztisch in der großen Küche gegenüber, wo sie unter der Woche gemeinsam ihren
pranzo
einzunehmen pflegten.
    Luciana, die während des ganzen Essens kein Wort gesagt und nur stumm auf den Teller gestarrt hatte, zog aus dem Ärmel ein Taschentuch und schnäuzte sich. »Nein, mein Lieber, das Risotto war schrecklich. Ich habe es zu lange gekocht und außerdem die Zucchini vergessen.«
    Fabri langte über den Tisch und nahm ihre Hand. »Macht doch nichts, Mamma, mir hat es geschmeckt.«
    »Ich war mit den Gedanken …«
    »Ich weiß, du warst mit deinen Gedanken bei Papà. Und jetzt macht es dich traurig, dass wir hier nur zu zweit am Tisch sitzen. È veramente triste.«
    »Gianfranco hat uns verlassen«, sagte Luciana mit einem Schluchzen in der Stimme, »er ist weg, auf und davon. Nach achtundzwanzig Jahren Ehe.«
    »Papà, nie und nimmer, das würde er nicht tun.«
    »Doch, ganz sicher.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Heute Morgen habe ich sein Nachtkästchen aufgeräumt.«
    »Sein Nachtkästchen? Na und?«
    »In der Schublade müsste sein Reisepass liegen.«
    Fabri zog fragend die Augenbrauen nach oben. »Sein Reisepass?«
    »Ja, da liegt er immer, aber jetzt ist er weg. Gianfranco hat seinen Reisepass mitgenommen.«
    »Wirklich? Bist du sicher?«
    »Ja, den Reisepass.«
    »Das muss nicht viel besagen«, versuchte er seine Mutter zu beruhigen.
    »Außerdem ist die Schatulle leer.«
    »Was für eine Schatulle?«
    »Die alte Schatulle vom Nonno im Versteck unter dem Bett.«
    »Vom Großvater? Unter eurem Bett? Davon weiß ich ja gar nichts.«
    »Dort haben wir Bargeld aufbewahrt. Und Goldmünzen. Für schlechte Tage. Man kann nie wissen.«
    »Und diese Schatulle, sie ist leer?«
    Luciana schluchzte. »Ja, das heißt, nicht ganz. Leider.«
    »Nicht ganz?«
    Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. »Es ist so unglaublich. Nach achtundzwanzig Jahren Ehe.«
    Fabri stand auf, ging um den Tisch herum, beugte sich zu seiner Mutter hinunter und nahm sie in die Arme.
    »Nun sag schon, was ist in dieser Schatulle?«
    »La sua fede.«
    »Sein Ehering?«
    »Ja, kein Wort des Abschieds, keine einzige Zeile, nur sein Ehering.«

11
    E ntspannt gegen den Fenstersims gelehnt, die Arme

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