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Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Titel: Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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es, lächelte ihn kurz an, glücklich und entspannt, um sich dann wieder der Aufführung zuzuwenden. Er betrachtete ihr Profil, ihre Wimpern, die Nase, die vollen Lippen, den schlanken Hals. Ja, auch von der Seite sah sie gefährlich gut aus. Gefährlich? Hipp schaute zur Decke der aufwändig restaurierten Scala. Schöne Kronleuchter hatten sie hier, und erst diese Stuckaturen, auch die goldenen Engel …
    Was hatte er ihrem Vater hoch und heilig versprechen müssen? Dass er Sabrina nie als junge, begehrenswerte Frau ansehen würde, sondern nur als beschützenswertes Wesen und als eine Patientin, der er helfen sollte, ihr Gedächtnis wiederzuerlangen. Hipp schloss die Augen. Dieses Versprechen hatte er etwas übereilt und unbedacht gegeben, es stellte seine Willenskraft auf eine harte Probe. Nun, im Krankenhaus war die Gefährdung noch vergleichsweise gering gewesen, aber jetzt, da sie gemeinsam auf eine Reise gegangen waren, die ihr das Gedächtnis wiederbringen sollte, jetzt sah die Sache entschieden anders aus. Er musste auf sie aufpassen, durfte ihr nicht von der Seite weichen. Dagegen wäre ja nichts zu sagen, ganz im Gegenteil, wäre da nur nicht dieses idiotische Versprechen.
    Jago intrigierte bei Othello, bekam zunächst selbst den Auftrag Cassio zu ermorden, scheiterte, weshalb Othello … Ganz schön kompliziert, wie im richtigen Leben. Nur selten spiegelten einfache Erklärungen die Wirklichkeit wider. Vielleicht war es Sabrina, die einen heimlichen Verehrer wie Rodrigo hatte oder einen Jago, der erst dem Rivalen Cassio, dann ihr selbst nach dem Leben trachtete? Nein, korrigierte sich Hipp, das war ja Othello. Oder Sabrina und Eva-Maria waren aufeinander eifersüchtig gewesen, weil sie sich in denselben Mann verliebt hatten. Zu diesem Thema gab es sicherlich auch eine berühmte Oper, wahrscheinlich sogar mehrere. Und jetzt kam er selbst ins Spiel, als ständiger Begleiter, der sich zur Neutralität verpflichtet hatte. War er nur Zuschauer, oder gehörte er zum Ensemble? Eine interessante Frage.
    Warum nur war Sabrina nicht alt und hässlich? Das würde manches einfacher machen. Hipp lächelte. Na ja, besser nicht. Er dachte an ihren Spaziergang heute Nachmittag und wie er ihre Nähe genossen hatte. Den Mailänder Dom hatten sie besichtigt, diese größte gotische Kirche Italiens mit ihrer prachtvollen Fassade, von den Terrazzi aus hatten sie den Blick über die Stadt genossen, durch die mit ihren Glaskuppeln im Belle-Époque-Stil architektonisch immer noch faszinierende Galleria Vittorio Emanuele II . waren sie geschlendert, hatten im modischen Karree rund um die Via della Spiga und Via Monte Napoleone die Schaufenster der großen Modemarken betrachtet, Armani, Gucci, Prada, Dolce & Gabbana, Versace, hatten den Delikatessenladen Peck* besucht und in dessen Italian Bar einen Imbiss genommen. Hipp war überrascht gewesen, wie unternehmungslustig und leistungsfähig Sabrina so kurz nach ihrem Klinikaufenthalt bereits war. Aber seinen Vorschlag, sich vor der Oper noch etwas hinzulegen, den hatte sie nach kurzem Sträuben dann doch gerne angenommen. Im zentral gelegenen Hotel de la Ville* hatte er zwei Zimmer mit Verbindungstür reserviert.
    Als er gesehen hatte, wie Sabrina nach wenigen Minuten tief eingeschlafen war, hatte er sich davongestohlen und war zur Via Carducci hinübergelaufen, wo Talhammers Versicherung ihr Büro hatte. An der Rezeption hatte wie verabredet ein Karton mit den Personalakten der Mitarbeiter für ihn bereitgelegen. Die Empfangsdame wollte ihn zwar umgehend beim Geschäftsführer für ein Gespräch anmelden, offenbar war sie entsprechend instruiert worden, er aber hatte entschieden abgelehnt, etwas von übergroßer Eile erzählt, hatte sich den Karton unter den Arm geklemmt und war zurück ins Hotel gegangen. Während Sabrina immer noch schlief, hatte er die Personalakten der insgesamt zweiunddreißig Mitarbeiter einer ersten kurzen Durchsicht unterzogen, aber ohne dass ihm etwas Spezielles aufgefallen wäre.

    Desdemonas Stimme holte ihn zurück in die Aufführung der Mailänder Scala, die von keinem Geringeren als Riccardo Muti dirigiert wurde. Desdemona kniete mit gefalteten Händen im Betstuhl. Sie fühlte ihre letzte Stunde nahen. »Nell’ora della morte nostra«, sang sie, »… prega per noi. Ave Maria. Nell’ora della morte. Ave! Amen …« Ganz schön ergreifend. Wo wohl Sabrina mit ihren Gedanken war? Ob sie sich erinnern konnte, wann und wo sie diese Oper schon mal gehört

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