Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale
unserem Familienanwalt hinterlegt.« Bill kniff die Augen zusammen. »Aber was hat das mit der Mailänder Scala zu tun? Oder mit Sabrinas Unfall? Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen.«
Hipp ließ sich mit der Antwort Zeit. »Da besteht natürlich kein Zusammenhang. Ist mir nur gerade mal so durch den Kopf gegangen.«
»Okay, mein Vater hat erzählt, dass Sie oft eigenartige Fragen stellen.«
»Hat er das? Dann kann ich ja weitermachen. Was steht im Testament drin?«
»Wie bitte? Sie wollen wirklich wissen, was mein Vater in seinem letzten Willen verfügt hat?«
Hipp nickte. »Ja, das interessiert mich. Vermutlich hat Roberto mit Ihnen über den Inhalt seines Testaments gesprochen.«
»Natürlich hat mein Vater mit mir darüber geredet, übrigens auch mit Sabrina …«
»Die sich daran nicht mehr erinnern kann«, warf Hipp ein.
»Aber das ist nun wirklich sehr privat«, fuhr Bill fort, »und ich kann nicht erkennen, warum der letzte Wille unseres Vaters für Sie von Wichtigkeit sein könnte.«
»Ich auch nicht«, gab Sabrina ihrem Stiefbruder Recht.
Hipp deutete auf sein Handy auf dem Tisch. »Es ist leider an der Westküste noch zu früh, sonst würde ich Roberto anrufen und ihn selbst fragen. Ich hole das später nach. Ich bin mir sicher, er wird mir Auskunft geben. Warum auch nicht? Ich mache keinen Gebrauch davon.«
»Sabrina erbt neunzig Prozent vom Vermögen«, gab Bill nach kurzem Zögern Auskunft, »ich bekomme zehn Prozent. Und das ist gut so, schließlich soll sie in Zukunft die Leitung unseres Weinguts übernehmen, während ich mich um meine Filme kümmern möchte.«
Sabrina langte sich erschrocken an die Brust. »Wirklich? Ich soll unser Weingut führen? Kann ich das denn?«
Bill lächelte. »Sicher besser als ich. Ich kann einen Barolo* kaum von einem Nebbiolo* unterscheiden.«
»Weil ein Barolo aus Nebbiolo besteht«, belehrte ihn Sabrina.
»Na, siehst du«, sagte Bill grinsend.
»Aber nicht jeder Nebbiolo ist ein Barolo«, kommentierte Hipp.
»Umso schlimmer.«
36
D ie Bar im Erdgeschoss des Lokals La Salita* in Monforte d’Alba war dicht umlagert. Während die Touristen im ersten Stock darüber nachdachten, welcher Wein wohl am besten zu Carne cruda* oder zu Tajarin* passte, ahnten sie nicht, dass direkt unter ihnen einige der renommiertesten Winzer der Region beieinander standen. In bester Laune erzählten sie sich Witze, schäkerten mit den Bedienungen. Domenico Clerico*, einer der großen Barolo-Revolutionäre, bekam von Emilio gerade Champagner eingeschenkt, sein Kollege Gianfranco Alessandria* ließ einen Rotwein im Glas rotieren. Maresciallo Viberti, der neben Fabri Angelo auf einem Hocker saß, nahm seine Uniformmütze ab und lockerte den Krawattenknoten. Ob er ein Glas Weißwein möchte, wurde er von Fabri gefragt. Vielleicht von Angelo Gaja*? Che buon idea! Ja, hier verstand man es zu leben. Er wusste, dass alle hier während des Tages hart arbeiteten, im Weinberg oder in der Cantina, aber abends ließen sie es sich gut gehen. Questa è l’arte del vivere! Er beglückwünschte sich zu seinem Einfall, nach Monforte zu fahren, um sich hier mit Fabri zu treffen. Erstens waren das Überstunden, die extra vergütet wurden. Zweitens bekam er in seinem grau gestrichenen Amtszimmer allzu leicht Depressionen. Drittens musste man sich fortwährend weiterbilden – auch und gerade auf dem Gebiet der Weinkunde. Und viertens musste ein guter Carabiniere im Volk schwimmen wie ein Fisch im Wasser. Viberti lächelte: Aber nicht wie ein träger Karpfen, sondern wie ein Respekt einflößender Raubfisch. Vielleicht sollte er doch wieder die Uniformmütze aufsetzen? Ob ihm der Gaja & Rey schmecke, unterbrach Fabri diesen Gedankengang. Viberti schwenkte das Glas mit dem Chardonnay, steckte die Nase hinein, nahm einen Schluck, schmatzte. »Meraviglioso, buonissimo. Forse un pò di tappo? No, perfetto!«
Fabri stieß mit dem Maresciallo an, was er wie viele Winzer mit viel Schwung tat, die dünnen Gläser einem erstaunlichen Härtetest unterziehend.
»Allora, Maresciallo Viberti, was hat Sie hierher geführt?«, fragte er.
»Die Pflicht, mein lieber Fabri, il dovere, solo il dovere. Übrigens bin ich der Meinung, dass der Chardonnay gut in den Rebsortenspiegel des Piemont passt. Er entwickelt hier einen eigenen, subtilen Charakter.«
»Stimmt, leider ist der Chardonnay eine Allerweltstraube geworden, aber …«
»Aber im Piemont haben wir die Legitimation für eine Rebsorte aus dem
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