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Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Titel: Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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ihren verlassenen Wagen sah, atmete er tief durch. Er schaltete den Motor aus und lauschte in den Wald. Plötzlich tutete es, und er hörte eine Maschine anspringen. Er stieg aus und hastete, geduckt und sich am Rand des Forstweges haltend, nach vorne, dorthin, wo das Geräusch herkam. Als er durch die Zweige den davonfahrenden Materialaufzug mit Sabrina und Hipp entdeckte, huschte ein triumphierendes Lächeln über sein Gesicht. Schnell schätzte er seine Möglichkeiten ab. Er rannte zurück zum Auto, öffnete die Heckklappe, zog Handschuhe an, zögerte kurz, griff dann nicht zum Gewehr, sondern zum Wagenheber und zum großen Kreuzschlüssel für die Radmuttern. Vor Nervosität glitt ihm der unhandliche Scherenheber kurz aus den Händen. Gleichwohl war er wenige Augenblicke später bei der Talstation angelangt, die sich in einem verwegenen Zustand präsentierte. Er stellte fest, dass der Kasten mit Sabrina und ihrem Begleiter zwischen den Bäumen verschwunden und nicht mehr zu sehen war. Er nahm den gusseisernen Kreuzschlüssel und steckte ihn kurz entschlossen zwischen die breiten Speichen des sich rasch drehenden Umlaufrades.
    Fast wurde die Scheibe beim plötzlichen Stopp von der Achse gerissen, es tat einen fürchterlichen Schlag, das Stahlseil kreischte, eine Verankerung wurde aus dem Boden gefetzt, ein Metallteil flog knapp an seinem Kopf vorbei – aber erstaunlicherweise kam weder die Konstruktion zum Einsturz, noch riss das Tragseil. Offensichtlich hatte er die Ingenieurkunst Südtiroler Bergbauern unterschätzt.
    Wie sich Sabrina und Hipp wohl jetzt fühlten? Vielleicht war schon alles erledigt und sie waren aus großer Höhe abgestürzt und mit ihrer komischen Holzschachtel auf dem Boden zerschellt? Vielleicht aber saßen sie noch drin und erfreuten sich relativ guter Gesundheit? Nun, dem konnte man abhelfen. Er nahm den Wagenheber und spannte ihn zwischen Tragseil und Umlaufrad, mit der Kurbel drehend spreizte er den Mechanismus langsam, aber sicher auseinander. Ein Ruck ging durch die Konstruktion. Nur noch wenige Umdrehungen, dann würde das Werk der Zerstörung vollbracht sein. Er musste nur aufpassen, dass er dabei nicht selbst zu Schaden kam. Und er musste hoffen, dass die Absturzhöhe ausreichte, um Sabrina endgültig in den Tod zu befördern. Was mit diesem Hipp geschah, war egal, aber vermutlich war es besser, wenn auch er …

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    D as finde ich nicht witzig, überhaupt nicht witzig!«, wiederholte Sabrina ihren letzten Satz.
    »Ich auch nicht«, sagte Hipp. »Spätestens jetzt ist mir klar, dass Höhenangst eine durchaus sinnvolle Überlebensstrategie darstellt und dass man nach Möglichkeit immer mit beiden Füßen auf dem Boden bleiben sollte.«
    »Die Erkenntnis kommt reichlich spät.«
    »Halt dich fest!«
    Entsetzt sah Sabrina, wie Hipp unter Einsatz seines Körpergewichts mit dem Transportkasten zu pendeln begann, ähnlich wie mit einer Schiffschaukel auf dem Jahrmarkt, den Schwung immer wieder aufs Neue mitnehmend
    »Was um Gottes willen machst du denn jetzt? Willst du uns umbringen?«, kreischte Sabrina.
    »Nichts liegt mir ferner. Halt dich nur richtig fest und zieh den Kopf ein.«
    »Das kann nicht gut gehen, gleich stürzen wir ab!«
    »Das glaube ich auch …«
    »Spinnst du?«
    »Aber vorher will ich einen Ast dieses Baumes zu fassen bekommen. Und dann steigen wir aus.«
    »Das klappt nicht.«
    Entgegen ihrer Überzeugung half sie beim Schaukeln. Hipp sah, wie sie dem Baum, mit dem sie kurz zuvor kollidiert waren, immer näher kamen, einige dünne Zweige streiften bereits über ihre Köpfe. Aber es war klar, dass es mit einem relativ sicheren Umsteigen nichts werden würde. Zu schwer war ihr Transportkasten und zu schnell pendelte er wieder zurück.
    »Sobald ich’s dir sage, umklammerst du diesen großen Ast und hältst dich an ihm fest. Vergiss diesen Kasten, du musst hier raus, du bist sportlich, du schaffst das.«
    »Aber …«
    »Keine Diskussion, noch zweimal, noch einmal, jetzt!«
    Sabrina sah den Ast näher kommen. Er schien kräftig, jedenfalls stark genug, um sie zu tragen. Ohne weiter nachzudenken, dafür blieb keine Zeit, schlang sie in dem kurzen Augenblick, da er direkt über ihr war, beide Arme um den Ast. Sie spürte, wie der Kasten unter ihr wegsauste, wie ihr Hintern und ihre Füße plötzlich in der Luft pendelten. Jetzt hing alles von diesem verdammten Ast ab. Würde er halten oder war alles aus, zu Ende und vorbei? Aber der Ast, er hielt. Was war das doch für

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