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Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Titel: Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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Melissa vergnügte und diesen wunderbaren Brunello zweckentfremdete, indem er ihn womöglich aus ihrem Bauchnabel schlürfte, eine überaus reizvolle Vorstellung, würde er mit Dino zum Abendessen gehen und dessen beruflichen Wechsel besprechen. Irgendetwas machte er im Leben falsch. Warum war Dino keine Frau? Aber mit seinen krummen Beinen und den Haaren auf der Nase wäre Dino auch als Frau kein Gewinn. Schade, dass Eva-Maria nicht mehr lebte. Die Tochter von Luca Pertini, ja, die hätte ihm schon gefallen. Wieder schickte der Tramontana einen Windstoß übers Land, diesmal heftiger als die vorangegangenen. Die schlanke Zypresse bog sich so stark, dass sie mit dem Wipfel fast den Boden berührte, geschmeidig wie ein junges Mädchen, elastisch, gleichzeitig voller Spannung und mit der Fähigkeit, gleich wieder zurückzufedern in eine aufrechte, kerzengerade Position – unschuldig, als ob nichts gewesen wäre.

41
    A m nächsten Morgen waren sie früh aufgestanden, jedenfalls nach dem verzögerten Zeitgefühl von Hipp. Denn während er sich noch schlaftrunken im Hotelzimmer orientierte, musste er zur Kenntnis nehmen, dass Sabrina bereits im Pool geschwommen war. Ihr nasser Bikini hing an der Türklinke und er hörte sie unter der Dusche singen. Wie sie wohl von der Tür ins Bad gelangt war? Es schien, dass er das Beste verpasst hatte. Na ja, war vielleicht gut so. Ihm fiel ein, dass er eigentlich rund um die Uhr auf seine Patientin aufpassen wollte. Da musste er wohl gewisse Nachlässigkeiten einräumen, die mit seinem natürlichen Schlafbedürfnis zusammenhingen. Diese grobe Missachtung der selbst auferlegten Aufsichtspflicht beschränkte sich allerdings auf eine Zeit, in der Sabrina hoffentlich keiner größeren Gefährdung ausgesetzt war. Wie es seit Verlassen der Klinik in Turin ja ohnehin keinen konkreten Anhaltspunkt für irgendeine Bedrohung gegeben hatte. Wäre da nicht dieses ungute Gefühl, das ihn einfach nicht verlassen wollte, und wären da nicht grundsätzliche Überlegungen, die bei aller Widersprüchlichkeit nichts Gutes erwarten ließen. Es wurde Zeit, dass Sabrina ihr Gedächtnis wiedererlangte, denn dann – in diesem Punkt war er sich sicher – wäre es mit dem Spuk schnell vorbei. Der Schlüssel für eine friedvolle Zukunft lag in der Vergangenheit.

    Das Frühstück auf der Terrasse des Hotels Madrigale* in Marciaga oberhalb von Garda und mit Blick auf den See nahmen sie gemeinsam ein. Wie fast immer begnügte sich Hipp mit einem Cornetto und einer Tasse Cappuccino, während sich Sabrina hemmungslos am Büfett bediente. Panini, Prosciutto, Salame, Formaggio, Marmellata … Man könnte glauben, sie hätte in den letzten Tagen gehungert, sah man mal vom Fünf-Gänge-Menü bei Marchesi ab, vom gestrigen Mittagessen in der Bottega del Vino, das Costolette di Agnello hatte kaum auf den Teller gepasst, und ließ man das Abendessen im Tre Camini* außer Acht, inklusive des Tiramisu zum Dessert. Wie konnte man bei dieser Völlerei so schlank bleiben? Vielleicht waren das Spätfolgen des Autounfalls? Aber von einer posttraumatischen Fresssucht bei gleichzeitiger Bewahrung einer formidablen Figur hatte er noch nie etwas gehört.
    Hipp riss sich von Sabrinas überbordendem Teller los und sah über die Dächer von Garda hinaus auf den See. Im Dunst ahnte man die schmale Landzunge von Sirmione, einige Segelboote warteten auf die Ora, die wie jeden Tag erst am späten Vormittag einsetzen würde. Hier hätte er es noch einige Tage aushalten können. Aber ihr Programm sah vor, dass sie nach Südtirol weiterfuhren, um dort zunächst Freunde ihres Vaters zu besuchen, in der vagen Hoffnung, dass sich Sabrina diesmal erinnern würde. Aber Hipp war wenig zuversichtlich. Warum sollte es Sabrina bei Michael Graf Enzenberg und seiner Frau Sophie anders ergehen als bei Maurizio Zanella oder ihrem Bruder Bill? Auf eine spontane Wiedererkennung bekannter Gesichter zu hoffen machte wenig Sinn. Aber den Abstecher nach Südtirol machte er ja vor allem deshalb, weil ihn sich Sabrina so sehnlich gewünscht hatte, weil sie sehen wollte, wo ihre Mutter geboren und aufgewachsen war. Wenn es Sabrina gut tat, wenn eine sentimentale Stimmung dabei half, ihre Gedanken nach rückwärts zu richten, nun, dann war gegen diese Exkursion erst recht nichts einzuwenden.

    Am frühen Nachmittag desselben Tages verabschiedeten sich Sabrina und Hipp in Kaltern auf dem Weingut Manincor* von der gräflichen Familie Enzenberg. Auf der Terrasse

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