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Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Titel: Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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zeigte beim Sprechen keine Regung, nur das Auge tränte. Doch wenigstens konnte er sich wieder artikulieren, leicht lallend, aber recht gut verständlich. Über das Wetter hatten sie gesprochen. Und um ihn zu erheitern, hatte sie erzählt, dass gestern in Montalcino auf der Piazza del Popolo eine junge Amerikanerin nackt getanzt habe. Es brauchte drei kräftige Polizisten, um ihre Darbietung zu beenden und sie mit einer Tischdecke aus dem Caffè Mazzini zu verhüllen. Lucas schräges Lächeln wurde durch einen Husten unterbrochen. Als der Anfall vorüber war, er wieder ruhig atmete und sie gerade beginnen wollte, ihm von Dino und dem Kredit zu erzählen, hob er zitternd die gesunde Hand und machte ein Zeichen, dass sie mit dem Gesicht näher kommen solle, damit sie ihn besser verstehe.
    »Cara mia«, sagte er mit leiser Stimme, »ich wollte dich immer auf Händen tragen und dir ein sorgenfreies Leben bieten.« Sie wischte ihm den Speichel aus dem Mundwinkel. »Aber leider hat der Vater im Himmel anders entschieden. Ich kann es nicht ändern …«. Er machte eine lange Pause. »Heute Morgen hat mich Alberto von der Banca Agricultura besucht.«
    »Du weißt es also schon?«
    »Ja, ich weiß es. Auch dass uns Dino im Stich lässt.« Luca räusperte sich und fuhr fort: »Ich bin krank, ich kann mich um nichts kümmern, es tut mir alles so Leid. Die Tenuta del Leone ist seit Generationen im Besitz der Familie.«
    »Eva-Maria ist tot, nach uns kommt niemand mehr. Nur dein Neffe aus Montepulciano.«
    »Ricardo aus Montepulciano?« Wieder hustete er, diesmal energischer. »Ich hasse diese Poliziani. Ricardo lebt auf der falschen Seite des Val d’Orcia. Außerdem riecht sein Vino Nobile wie ein nasser Maremma-Hund voller Flöhe.«
    Mira schmunzelte. Offenbar war ihr Mann heute gut drauf.
    »Ricardo«, fuhr er fort, »nein, außerdem hat er kein Geld.«
    »Luca«, sagte sie, »es gibt keinen anderen Ausweg, wir müssen verkaufen. Heute Morgen war Panepinto bei mir …«
    Plötzlich rang er heftig nach Luft. Mira wollte schon aufstehen, um die Schwester zu verständigen, aber Luca hielt sie mit erstaunlicher Kraft fest. Nach einigen Minuten hatte er sich wieder beruhigt. Sie tupfte ihm den kalten Schweiß von der Stirn.
    Luca hob den Zeigefinger. »Ja, du hast Recht, wir müssen verkaufen. Von dem Geld bezahlen wir unsere Schulden und kaufen uns ein kleines Haus in der Maremma. Alles ebenerdig, damit ich mit dem Rollstuhl herumfahren kann. Von der Veranda aus kann ich das Meer sehen. Und du kochst mir meine Lieblingspasta, mit Scampi und Knoblauch.«
    Mira tätschelte ihm die Hand. »Eine Casa colonica am Meer? Ja, das wäre schön.«
    »Und die besten Flaschen Wein aus unserem Keller nehmen wir mit. Die reichen bis an unser Lebensende. Alberto hat gesagt, dass wir nicht viel Zeit haben. Eigentlich möchte ich nicht, dass du mit dem Tedesco sprichst. Er ist ein widerlicher Kerl. Ich darf gar nicht an ihn denken, mir wird sofort schlecht. Aber uns bleibt keine andere Wahl.«
    »Sobald ich in Montalcino zurück bin, gehe ich zu ihm.«
    Luca schüttelte langsam den Kopf. »Nein, nicht sofort. Ruf vorher Roberto an …«
    »Roberto Valentino in Amerika?«
    »Sì, Roberto. Seine Mutter war meine Tante.«
    »Ich weiß. Aber wie soll er uns helfen können? Er lebt am anderen Ende der Welt, er ist selber krank, und außerdem macht er sich Sorgen um Sabrina.«
    »Ich erwarte keine Hilfe von ihm. Aber sprich mit ihm, erzähl ihm alles, auch was wir vorhaben.«
    »Aber warum?«
    »Weil er zur Familie gehört, darum. La famiglia è santa!«

45
    A ls Sabrina die Augen wieder öffnete, sah sie als Erstes die Rinde ihres lieb gewordenen Astes. Dann blickte sie in die Tiefe hinunter zum Boden, wo auf den Felsen die Trümmer des Transportkastens herumlagen. Holzbretter, die Überreste des Bänkchens, ein Bügel mit einer stählernen Rolle – alles, nur keine Beine, kein Arm. Sie atmete tief durch. Vermutlich hatte es Hipp hinausgeschleudert und er lag irgendwo zwischen den Bäumen. Die Ruhe im Wald war beklemmend. Plötzlich verstand sie, warum man von Totenstille sprach. Als ob auch der Wind schweigen würde. Kein Vogelgezwitscher, kein Knacken im Unterholz.
    »Hipp, lebst du noch?« Ihre Stimme klang hohl und ohne Hoffnung.
    Die Antwort kam umgehend. »Ich bin mir nicht ganz sicher, aber es spricht einiges dafür.«
    Vor Freude hätte sie fast vergessen, sich weiter am Ast festzuhalten. Seine Stimme klang ganz nah.
    »Wo bist du?«, fragte

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