Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale
Schaufenster stehen und betrachtete die feilgebotenen Weine: Chianti Classico vom Castello di Fonterutoli, einige Flaschen von der Fattoria Nittardi*, die einst Michelangelo Buonarroti gehörte, Fontalloro von Felsina* … Nun, Giovanni Martino mochte ein unangenehmer Zeitgenosse sein, aber gegen seine Weinauswahl ließ sich nichts einwenden, ganz im Gegenteil, da war alles versammelt, was in und um Castellina Rang und Namen hatte.
Hipp steckte die rechte Hand in die Jackentasche und betrat die Enoteca. Dass der junge kräftige Mann, der gerade einige Flaschen ins Regal sortierte, Giovanni war, stand für Hipp außer Frage. Schließlich hatte er ihn schon einmal gesehen, bei Eva-Marias Trauerfeier. Nur dass er damals keine grüne Schürze trug. Ohne zu grüßen blieb Hipp mitten im Raum stehen und wartete ab. Sie waren alleine im Laden, das war gut so. Er war gespannt, wie Giovanni reagieren würde. Ein spontanes Erkennen würde ihn verraten, so einfach war das. Schon die erste Reaktion war so etwas wie eine Vorentscheidung.
Giovanni drehte sich um und sah ihn an. »Buon giorno, Signore. Wollen Sie sich umsehen, oder haben Sie einen besonderen Wunsch?«
Kein Zucken, nicht das geringste Anzeichen. Völlig ruhig. Erstaunlich.
»Buon giorno. Haben Sie auch Weine aus Montalcino?«
»Sie meinen Brunello? Natürlich, auch wenn ich Ihnen lieber einen Wein aus unserer Region verkaufen würde. Biondi-Santi*, Castello Banfi*, Pieve Santa Restituta* …«
»Wie wär’s mit einem Brunello von der Tenuta del Leone?«
Hipp sah, wie sich Giovannis Gesichtszüge von einem Augenblick auf den anderen verhärteten, wie die Augen schmal wurden und die Hände verkrampften.
»Warum? Was wollen Sie? Wer sind Sie?«, zischte Giovanni durch die Zähne.
»Wir sind uns schon mal begegnet. Bei Eva-Marias Beerdigung.«
»So? Ich kann mich nicht erinnern, außerdem beantwortet das keine meiner Fragen.«
Hipp bemerkte, wie sich Giovannis Muskeln anspannten. Fabri hatte erzählt, dass der verflossene Freund von Eva-Maria über einen leicht aufbrausenden Charakter verfüge und gelegentlich zu Aggressionen neige. Er wollte ihn provozieren, das schon, aber es lieber nicht auf eine ernsthafte Auseinandersetzung ankommen lassen. Da würde ihm der schwere Glasaschenbecher in der Jackentasche wenig helfen. Besser, er stellte ihn später wieder unversehrt auf den Tisch in der Antica Trattoria.
»Ich führe einige Ermittlungen im Zusammenhang mit Eva-Maria Pertinis Tod durch.«
»Sie sind, wie ich höre, Deutscher. Wir sind in Italien, was haben Sie hier zu ermitteln?«
»Im Auftrag von Signor Valentino.«
»Sabrinas Vater?« Giovanni wirkte überrascht.
Hipp zögerte. Er war nicht hier, um Antworten zu geben, es wurde Zeit, den Spieß umzudrehen.
»Sie kennen Sabrina?«, fragte er.
»Ja, das heißt, nein«, verhaspelte sich Giovanni.
»Wie soll ich das verstehen?«
»Nein, ich kenne Sabrina nicht, aber Eva-Maria hat mir von ihr erzählt. Und ich weiß, dass sie mit im Wagen war. Wie geht es ihr?«
Hipp achtete auf Giovannis Körpersprache. Nach seiner Überzeugung war diese bei guten Lügnern viel aufschlussreicher als der Gesichtsausdruck. Gerade noch hatte er gewirkt wie ein Raubtier kurz vor dem Sprung, leicht nach vorne gebeugt, das Gewicht auf dem linken Bein. Jetzt aber gab er diese offensive Haltung auf, die hochgezogenen Schultern entspannten sich, der vorgestreckte rechte Arm pendelte locker nach unten. In Gefahrensituationen war der Mensch evolutionsbedingt entweder auf Angriff konditioniert, oder er suchte nach Fluchtmöglichkeiten – oder er erstarrte in Angst. Das Verhaltensmuster der plötzlichen Entspannung gab es unter Stress nicht. Hipp ahnte, dass er auf der falschen Fährte war.
»Es geht ihr relativ gut«, antwortete er.
»Freut mich.« Das klang ehrlich.
»Wie war es in Südtirol?«, fragte Hipp unvermittelt, der das Gespräch rasch zu Ende bringen wollte.
Giovanni sah ihn verwirrt an. »In Südtirol?«
»Ja, da waren Sie doch gerade.«
Giovanni schüttelte den Kopf. »Wer hat Ihnen denn diesen Blödsinn erzählt? Ich war seit fünf Jahren nicht mehr in Südtirol.«
Hipp hatte keine Zweifel, dass Giovanni die Wahrheit sprach. Eigentlich könnte er sich jetzt verabschieden und gehen. Aber eine Kleinigkeit interessierte ihn doch noch.
»Aber dass Sie einen roten Alfa Romeo fahren, das stimmt doch, oder?«
Jetzt war sie wieder da, diese lauernde Haltung, die nichts Gutes verhieß.
»Warum wollen Sie das
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