Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Titel: Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
Vom Netzwerk:
sehen, dass sie sich in einem beklagenswerten Zustand befanden. Keine Blüten, nur wenige Knospen, vertrocknete Blätter. Hipp zerrte den Schlauch herbei, was ein mittlerer Kraftakt war, denn aus unerfindlichen Gründen war er ewig lang, und begann, das Rosenbeet zu wässern. Er sah hinüber zum Orto, dem kleinen Gemüsegarten mit den verschrumpelten Tomaten, zum wilden Wein, der stark vergilbt am Haus emporrankte, zum jammervollen Oleander. So viel war sicher, morgen würde er sich bei Sandro in der Bar Centrale das Geld zurückholen, das er ihm bei seiner überstürzten Abreise für gelegentliches Gartengießen zugesteckt hatte.
    Während er mit der einen Hand den Schlauch hielt, bediente er mit der anderen das Handy, um einige Telefonate zu führen. Dass ihn seine Gesprächspartner aufgrund des munteren Plätscherns mal auf der Toilette, dann in der Badewanne wähnten, störte ihn nur wenig. Alle wichtigen Dinge waren ohnehin bereits besprochen, alle Arrangements eingefädelt. Von Montalcino bis Siena hatte er Talhammer von Dr. Lausitz erzählt sowie von seiner bezaubernden Freundin, die für Talhammers Versicherung in Mailand arbeitete und morgen wieder an ihrem Schreibtisch sitzen würde. Und er hatte ihm von seinem dringenden Verdacht berichtet, dass sich dieser zwielichtige Lausitz von Melissa alle Informationen aus den Versicherungsunterlagen geben ließ, die er für gelegentliche Eigentumsübertragungen benötigte. Noch vor den turmbewehrten Mauern Monteriggionis hatte er Talhammer überredet, in einen Plan einzuwilligen, der Lausitz überführen sollte. Von Monteriggioni bis Colle di Val d’Elsa hatte er mit Sabrinas Vater in Kalifornien telefoniert und ihm vom Gespräch mit Dr. Lausitz berichtet, das zwar etwas anders verlaufen war als ursprünglich gedacht, aber eine interessante Perspektive eröffnete. Bis hinauf nach Volterra hatte er mit Maresciallo Viberti gesprochen, der erstaunlich schnell verstand, worum es ging – offenbar wurde er gerade weder von einem Milchlamm mit Polenta noch von einer Degustation der letzten Barolo-Jahrgänge über Gebühr in Anspruch genommen. Viberti hatte sich sofort und mit großer Begeisterung bereit erklärt, bei Hipps Plan mitzuwirken. Nach Volterra, die Straße hinunter ins Val di Cecina, hatte er erneut mit Talhammer geredet und ihm die Einzelheiten erläutert.
    Hipp stieg auf eine Mauer, um von dort eine Palme in den Genuss des Wasserstrahls kommen zu lassen. Wo wohl gerade das Flugzeug mit Sabrina war? Irgendwo über dem Atlantik, vielleicht auf Höhe der Azoren, egal, entscheidend war, dass sie sich mit jedem Kilometer weiter von den Gefahren der alten Welt entfernte. Und Gianfranco Angelo, Fabris mordlüsterner Vater? Ob er wusste, dass man bereits nach ihm fahndete? Ob er darüber nachdachte, welche Optionen ihm blieben? Würde er sich womöglich selbst stellen? Und was würde er dann zu Protokoll geben? Was waren seine Motive, was war geschehen an jenem Tag, als Sabrina und Eva-Maria mit dem Auto verunglückten? Dass er dieses Rätsel noch nicht gelöst hatte, wollte Hipp überhaupt nicht gefallen, das beunruhigte ihn zutiefst. Nun gut, immerhin war Sabrina in Sicherheit. Auch hatte sie einen Teil ihres Gedächtnisses wiedererlangt, hatte gelernt, an sich zu glauben, war neugierig darauf, sich immer besser kennen zu lernen, hatte die traumatischen Erfahrungen der letzten Tage und Wochen gut weggesteckt, war zuversichtlich, nicht nur, was die Vergangenheit betraf, sondern auch die Zukunft. Aber was zum Teufel brachte einen ehrbaren Mann wie Gianfranco Angelo dazu, einer jungen Frau wie Sabrina nach dem Leben zu trachten? Welcher Hass war nötig, um mit einem Gewehr auf sie zu zielen und kaltblütig abzudrücken? Und wenn es kein Hass war, was war es dann?
    Hipp sah, wie der Wasserstrahl immer dünner wurde und schließlich nach einigen letzten Tropfen vollends versiegte. Er sprang von der Mauer, lief ums Eck und öffnete die eiserne Klappe über dem Brunnen mit dem Brauchwasser. Eine hässliche Kröte glotzte ihn an. Tief unten glitzerte es zwar, aber ganz offensichtlich war der Pozzo leer. Nun, damit waren seine Bemühungen zur Revitalisierung der Anpflanzungen vorerst beendet. Er verabschiedete sich von der Kröte, dachte kurz darüber nach, dass er sich was Schöneres vorstellen konnte, als in diesen Brunnen zu fallen – und schloss die Klappe.

58
    U m von Turin nach Monforte d’Alba zu gelangen, kann man zunächst über die Autostrada fahren, dann an

Weitere Kostenlose Bücher