Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
Scampi etwas falsch gemacht.«
»Eine Tragödie. Die Kühlanlage ist ausgefallen, wir mussten unseren gesamten Bestand vernichten. Ich bin mir sicher, dass wir die entsprechenden Dokumente finden werden. Ich kenne da einen sehr talentierten Buchhalter.«
»Also war das gesamte Geschäftsjahr bislang …«
»Eine einzige Katastrophe. So ist es. Spätestens in einigen Tagen wird das aus unseren Büchern zweifelsfrei hervorgehen. Der Wert unserer Firma geht gegen Null.«
Steinknecht lächelte und hob sein Glas. »Darauf sollten wir einen trinken!«
Zorzi nickte und stieß mit seinem Partner an. »Alla salute! Auf den Niedergang unserer Firma!«
11
H ippolyt hatte sich mit Maresciallo Viberti in dessen Lieblings-Osteria zum Essen verabredet. Er kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass dies die einzige Möglichkeit war, ihm Informationen zu entlocken. Wie üblich übernahm es Viberti, das Menü zusammenzustellen, eine Aufgabe, für die er in höchstem Maße qualifiziert war. Hipp stellte amüsiert fest, dass der Maresciallo ein einfaches Konzept verfolgte – indem er nämlich durchgängig jedes Gericht mit Trüffel bestellte, angefangen von Uovo in cocotte con tartufo bianco*, was immer das auch sein mochte, über Tajarin con tartufo* bis zu Tagliata con tartufo bianco*.
Viberti zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Signor Hermanus, es ist nun mal Trüffelzeit. Nur Ignoranten bestellen im Oktober etwas anderes. Außerdem haben Sie extra den weiten Weg aus der kulinarischen Wüste ins gesegnete Piemont* auf sich genommen.«
»Kulinarische Wüste?«
»Die Toskana, mein lieber Dottore. Ich verstehe sowieso nicht, warum Sie sich gerade dort niedergelassen haben. Nun gut, es gibt ein paar schöne Gebäude, da will ich nichts sagen, die Renaissance ist eine feine Sache. Aber seien Sie doch mal ehrlich, rein kulinarisch hat die Toskana nicht viel zu bieten. Schmecken Ihnen vielleicht Fagioli? Bei den Florentinern muss genetisch irgendetwas passiert sein, dass sie so in weiße Bohnen vernarrt sind. Die Bistecca alla fiorentina ist etwas für englische Touristen. Die Cantuccini aus Prato sind so hart, dass man sie erst in Vin Santo tunken muss, um sie überhaupt essen zu können. Und wie kann man Pecorino über die Pasta reiben, wo es doch wunderbaren Parmigiano gibt? Von der Livorneser Fischsuppe will ich gar nicht reden, eine äußerst unappetitliche Angelegenheit.«
Hipp musste lachen, die Gespräche mit Viberti schienen immer dem gleichen Muster zu folgen. »Sie übertreiben, verehrter Maresciallo. Man kann in der Toskana vorzüglich essen. Zum Beispiel …«
»Zum Beispiel gibt es in der ganzen Toskana kein gutes Risotto«, unterbrach ihn Viberti, »das ist eine allseits bekannte Tatsache. Polenta mit Haselnüssen? Fehlanzeige! Einen Brasato al Barolo*? Unbekannt! Agnolotti? Noch nie gehört! Agnolotti con tartufo bianco? Das scheitert schon an der Trüffel!«
»Sie wissen, dass man in der Toskana sehr wohl Trüffeln findet«, merkte Hipp vorsichtig an.
»Ja, das weiß ich. Aber nach meiner subjektiven Einschätzung können sie sich in keinster Weise mit der originären Alba-Trüffel messen. Deshalb ist es besonders dreist, wenn gelegentlich Trüffeln aus der Toskana* oder den Marken* unter unsere königlichen Tartufi d’Alba geschmuggelt werden. In meinen Augen handelt es sich bei diesem Delikt um ein Kapitalverbrechen.«
Hipp reichte Viberti die Weinkarte, in der Hoffnung, seinen Redefluss auf diese Weise zumindest vorübergehend zu unterbrechen. »Darf ich Sie bitten, uns einen Wein auszuwählen.«
Der Maresciallo wehrte die umfangreiche, in Leder gebundene Mappe elegant ab. »Nein, vielen Dank. Erstens kenne ich die Weinkarte auswendig. Zweitens sind Sie der Gastgeber. Und drittens, mein lieber Dottore, mögen Sie zwar beim Essen noch gewisse Bildungsdefizite haben, aber beim Wein verfügen Sie über phänomenale Kenntnisse und einen unübertroffenen Geschmackssinn. Davon habe ich mich mehr als einmal überzeugt. Ich lege mein Schicksal vertrauensvoll in Ihre Hände.«
Hipp schmunzelte. »Soll ich zum Auftakt einen Wein aus der Toskana bestellen?«
Viberti ließ ein leises Stöhnen vernehmen. »Wenn es unvermeidbar ist. Aber bitte keinen Chianti, auf diesen Wein reagiere ich gewöhnlich mit einem allergischen Schock.«
»Also vielleicht doch lieber einen feinen Spumante zum Auftakt. Und danach einen Barbaresco, wie wäre es mit einem Costa Russi von Angelo Gaja?«
Der Maresciallo küsste seine
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