Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
zu einer Rose geformten Fingerspitzen. »Ottimo, complimenti. Ich wusste ja, ich kann mich auf Ihren noblen Geschmack verlassen.«
Das Uovo in cocotte con tartufo bianco* wurde in einem Förmchen serviert. Von einem Ei war nichts zu sehen, dafür war reichlich weiße Trüffel über eine cremige Masse gehobelt. Zögerlich nahm Hipp eine Gabel, probierte etwas davon und identifizierte neben der intensiven Trüffel leichte Käsearomen. Amüsiert sah ihm Viberti zu.
»Fonduta?«, fragte Hipp.
»Ganz genau«, bestätigte Viberti, »eine Soße vom Fontina-Käse. Das immerhin haben Sie rausgeschmeckt. Aber ansonsten machen Sie, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf, so ziemlich alles falsch. Sie benötigen dringend eine intensive kulinarische Fortbildung. Natürlich unter meiner Anleitung.«
»Aber gerne.«
»Sehen Sie diesen kleinen Löffel neben Ihrem Teller? Er ist nicht als Tischdekoration gedacht. Mit diesem Cucchiaino rühren Sie die frisch gehobelten Trüffelscheiben in die Masse. Sehen Sie? Da ist ein wachsweicher Eidotter drin. Schön verrühren! Nun den Duft inhalieren. So, jetzt dürfen Sie erneut probieren. Schmeckt’s?«
»Buonissimo!«
Eine halbe Stunde später fand Hipp, dass es langsam Zeit wurde, die nicht unerhebliche Investition in das Mittagessen zu amortisieren. Also lenkte er das Gespräch behutsam in Richtung Hubertus Rettenstein. Er hatte dem Maresciallo ja schon am Telefon sein Anliegen angedeutet. So kam es für Viberti nicht wirklich überraschend, als Hipp nach den näheren Umständen des Unglücksfalls fragte, obwohl es der Maresciallo bedauerte, seine Ausführungen zu den verschiedenen Käsesorten des Piemont beenden zu müssen.
»Wie dieser Signor Rettenstein ums Leben gekommen ist? Nun, das ist leicht zu beantworten: Wahrscheinlich hätte allein die Wucht des umstürzenden Regals ausgereicht, seinen Tod herbeizuführen. Die abgebrochene Flasche Wein, die sich ihm dabei tief in den Hals gebohrt hat, dürfte sein Ableben beschleunigt haben. Ein schreckliches Unglück. Sie wissen, dass ihm der Sassicaia zum Verhängnis geworden ist? Kein schlechter Wein, ganz gewiss nicht, aber leider aus der Toskana. Da stellt sich schon die Frage: Wie kann man in einem Weinkeller im Piemont ein ganzes Regal ausschließlich mit diesen Flaschen bestücken? Und das ganz offenbar unter Missachtung der Statik. Verzeihen Sie mir die Anmerkung: Bei allem Respekt vor der Sammelleidenschaft des Signor Rettenstein, aber hätte er sich bei diesem überteuerten Wein aus der Toskana etwas zurückgehalten, im Barolo-Regal wäre noch reichlich Platz gewesen, dann wäre er noch am Leben.«
Hipp konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Das ist eine interessante These. Maresciallo, haben Sie an die Fotos gedacht, um die ich Sie gebeten habe?«
»Sì, certo. Natürlich verstößt das gegen die Bestimmungen. Aber weil Sie ein guter Freund sind und den Carabinieri mal bei der Aufklärung eines Falles geholfen haben, setze ich mich darüber hinweg.« Viberti zog einen Umschlag aus der Jackentasche und reichte ihn über den Tisch. »Die Aufnahmen zeigen den Verstorbenen unter den Trümmern seines Weinregals«, erläuterte er, was ohnehin zu sehen war. »Ich finde, die Bilder sind gut gelungen, unser Fotograf ist sehr talentiert. Achten Sie bitte auf die dramatischen Schatten, die klaren Farben, das ist fast schon künstlerisch wertvoll. Sehr schön auch die Lichtreflexe auf den zerbrochenen Flaschen …« Viberti sah, wie Hipp beim Anblick der Bilder leise den Kopf schüttelte. »Was ist? Gefallen sie Ihnen nicht?«
»Nein, sie gefallen mir nicht, ganz und gar nicht. Vor allem diese Nahaufnahme mit der abgebrochenen Flasche im Hals.«
Viberti zog eine Grimasse. »Ich gebe zu, das sieht nicht gut aus.«
Hipp legte die Fotos zur Seite. »Maresciallo, stellen Sie sich ein über zwei Meter hohes Weinregal vor, das aus unerfindlichen Gründen nicht vertikal in sich zusammenstürzt, sondern nach vorne umfällt, und zwar direkt auf Sie zu. Wie würden Sie reagieren?«
Viberti kreuzte die Arme schützend vor den Kopf. »Vielleicht so?«
»Sehr gut, ganz genau. Das wäre ein normaler Reflex. Aber unser Opfer liegt mit ausgebreiteten Armen auf dem Boden. Das kommt mir eigenartig vor.«
»Vielleicht hat die Wucht des Regals«, spekulierte Viberti, »die Arme zur Seite gerissen?«
Hipp nickte. »Das könnte sein. Nicht sehr wahrscheinlich, aber möglich. Was mir jedoch noch weniger gefällt, ist dieses
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