Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
Abflussreiniger? In die verstopfte Toilette werfen und zünden? Oder als Geheimwaffe im Kampf gegen Maulwürfe?
Wirklich erstaunlich war die Reichweite des Senders, mit dem sich die Kapsel zünden ließ. Bis zu fünfzig Kilometer dürfe man sich vom Zielobjekt entfernen. Das sollte ausreichen, um nicht in Verdacht zu geraten, wenn sein Partner Ugo Zorzi ums Leben kam.
Steinknecht breitete eine Straßenkarte aus, auf der er die Zeiten eingetragen hatte, die Ugo nach Verlassen ihres Büros auf der Autobahn Richtung Modena bis zu bestimmten Wegmarken brauchen würde. Unter der Voraussetzung, dass wenig Verkehr war. Folglich war es am sichersten, Ugo in Parma zum Abendessen einzuladen. Am besten etwas außerhalb. Wenn er erst nach zehn Uhr die Heimfahrt antrat, sollte er gut durchkommen. Er dachte an die Trattoria Le Viole in Castelnovo di Baganzola. Sie lag strategisch günstig, von dort war es nicht weit zur Autobahn – und die Ravioli waren ein Genuss.
Er selbst würde in der Trattoria sitzen bleiben, auf dem Handy die Staumeldungen kontrollieren und bei freier Fahrt exakt nach sechzehn Minuten die Fernsteuerung betätigen. Ugo liebte seinen Ferrari, wobei er die eigenwillige Auffassung vertrat, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen für die roten Renner aus Maranello zumindest auf diesem Autobahnabschnitt keine Gültigkeit hatten. Irgendwo müssten die Fahrzeuge ja getestet werden.
Nach sechzehn Minuten sollte er auf der langen Geraden vor Reggio Emilia* sein. Beim infernalischen Lärm des Zwölfzylinders würde er nicht mitbekommen, wie es an seinem Auto eine kleine Explosion gab, die die manipulierte Vorderradaufhängung in ihre Einzelteile zerlegte.
Derweil würde er friedlich und entspannt im Viole sitzen, vielleicht einen Digestivo bestellen, für die Nachtruhe. Und später auf dem Nachhauseweg von der Ponte di Mezzo den Fernauslöser in den Fluss werfen. Ja, so würde es laufen, so oder so ähnlich. Mit etwas Glück zog man hinterher die Möglichkeit in Betracht, dass Ugo Zorzi vorsätzlich mit Vollgas in die Leitplanken gesteuert hätte. Das wäre nur allzu verständlich, immerhin konnte man als Gesellschafter einer Firma, die kurz vor der Pleite stand, schon mal auf den Gedanken kommen, sich das Leben zu nehmen. Amedèo kicherte. Außerdem hatte er etwas in den Händen, das diesen Verdacht höchst überzeugend bestätigte.
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S o zeitig war Hipp schon lange nicht mehr aufgestanden. Aber da Sabrina früh aufbrechen musste, um zurück nach Montalcino zu fahren, hatte er beschlossen, aus der Not eine Tugend zu machen. Er hatte seine Lederjacke angezogen und schlenderte durch die Altstadt von Alba. Aus dem Nebel, der zwischen den Häusern hing, fiel leichter Sprühregen, das Pflaster auf den Straßen war nass und glänzte. Eine Stimmung, die er mochte. In einer Bar trank er einen Latte macchiato, dann lief er hinüber zur Via Vittorio Emanuele. Längst war er nicht mehr alleine, es herrschte ein reges Treiben. Er wusste auch, warum. Nur noch wenige Meter waren es zum Hof mit dem Trüffelmarkt.
Er blieb vor dem Schaufenster von Tartufi Ponzio stehen. Seit 1947, stand geschrieben, war man hier dem Handel mit Trüffeln verpflichtet. Hipp hatte gelesen, wie es Alba nach dem Krieg geschafft hatte, den Mythos um die weißen Trüffeln zu kreieren und bis nach Amerika zu tragen. Vor allem einem Mann war dies zu verdanken: Giacomo Morra. Dass er bis heute als »Re dei Tartufi«, als König der Trüffeln, galt, hatte zweifellos seine Berechtigung. Als junger Mann im Weinhandel zu Geld gekommen, kaufte er 1928 das in Alba noch heute existierende Hotel Savona. Intensiv kümmerte er sich um alle Belange, wobei ihm besonders die Küche am Herzen lag. Zwar spielten die weißen Trüffeln in der Region schon immer eine besondere Rolle, welches Potenzial aber wirklich in ihnen steckte, sowohl kulinarisch als auch unter kommerziellen Gesichtspunkten, das erkannte erst Giacomo Morra. Er brachte nicht nur viele Trüffelgerichte auf seine Speisekarte, sondern verschaffte auch der noch jungen Trüffelmesse* größere Bedeutung. Geradezu genial aber war seine Idee, die größte Trüffel, die jedes Jahr gefunden wurde, einer international bedeutenden Persönlichkeit zu schenken und für entsprechende Medienaufmerksamkeit zu sorgen. Über zwei Kilogramm wog die legendäre Trüffel, die Morra 1951 dem amerikanischen Präsidenten Truman zukommen ließ. Keine Fehlinvestition, wie sich zeigen sollte. Das Weiße Haus schloss mit Morra
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