Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
macht er sich strafbar, wenn er keine formelle Anzeige erstattet, sondern stattdessen sein Wissen der Presse zuspielt, womöglich gegen Bezahlung. Wenn hingegen seine Anschuldigungen aus der Luft gegriffen sind, wovon ich ausgehe, macht er sich der üblen Nachrede schuldig, schadet den Interessen Albas und diskriminiert unseren göttlichen Tartufo.« Der Maresciallo lächelte schief. »In diesem Fall droht Ihrem Informanten eine mehrjährige Haft im Kerker vom Castello Cavour!«
»Sehr witzig!« Riccardo deutete auf den Nebentisch. »Und was ist mit diesen Trüffeln? Mein Informant sagt, sie kämen aus Istrien!«
Viberti schüttelte den Kopf. »Ihr Informant ist ein Trottel. Zugegeben, diese Tartufi sind jämmerlich. Gianni ist ein miserabler Trüffelsucher, ich kenne ihn seit vielen Jahren, er wird es nie lernen. Aber aus Istrien sind seine Trüffeln nicht, davon können Sie ausgehen, schon eher aus dem Wäldchen hinter dem Haus seiner Großmutter.«
»Hinter dem Haus seiner Großmutter?« Riccardo schaute ungläubig.
Viberti deutete zur Espressobar in der Ecke. »Gehen Sie schon mal vor, bestellen Sie sich was zu trinken. Ich komme gleich nach, dann können wir uns weiter über Ihre fixe Idee unterhalten. Sie bekommen von mir jede gewünschte Information.«
»Einverstanden, setzen wir unser Gespräch an der Bar fort. Ich werde einen Latte macchiatto nehmen, was möchten Sie?«
»Sie trinken Latte macchiatto?«, sagte Viberti grinsend. »Sie wissen, dass dieses Getränk für Kinder erfunden wurde, die nicht so viel Kaffee trinken sollen? Ich hätte gerne einen Caffè corretto, der ist was für Erwachsene.«
Riccardo murmelte etwas Unverständliches, sah stirnrunzelnd auf die Tischreihe mit den Trüffeln – und machte sich auf den Weg zur Bar. Als er außer Hörweite war, schlug der Maresciallo mit der Faust auf den Tisch.
»Ich weiß, wir haben in manchen Jahren zu wenig Trüffeln, um die internationale Nachfrage zu bedienen, vor allem so früh in der Saison. Die Trüffeln aus der Toskana sind nicht schlecht, auch jene aus den Marken. Mich interessiert auch nicht, wo unsere Alba-Trüffeln herkommen, vorausgesetzt, die Qualität stimmt. Aber noch einmal möchte ich keinen Schwager namens Ivo erfinden, nur um diesen Schnüffler ruhigzustellen, haben wir uns verstanden!«
»Haben wir«, sagte der Trüffelhändler nickend. »Aber ich wäre froh, ich hätte einen Schwager. Leider ist meine Schwester so hässlich, die findet nicht mal in der Toskana einen Mann.«
»So spricht man nicht von seiner geliebten Sorella«, erwiderte Viberti. Er beugte sich über den Tisch und fragte leise, mit dem Daumen über die Schulter deutend: »Sag mal, stimmt es, dass Giannis Trüffeln aus Istrien stammen?«
»Sì, das stimmt. Gianni hat momentan gar keinen Hund, mit dem er auf Trüffelsuche gehen könnte.«
Viberti sah erneut hinüber zum Nachbartisch und rümpfte die Nase. »Das sind ja wirklich ausgesprochen jämmerliche Exemplare!« Er winkte Gianni zu sich. »Steh gerade, wenn ich mir dir spreche!«, fuhr er ihn an. »Ich gehe jetzt an die Bar und trinke meinen Caffè. Vielleicht auch zwei. Wenn ich zurückkomme, will ich dich hier nicht mehr sehen. Weder dich noch deine missratenen Schlauchpilze!«
48
G ina hatte schon die Zeitung gelesen, war ihre gestrigen Aufzeichnungen durchgegangen, hatte sich einige Notizen gemacht und mit einer Freundin telefoniert, als Hipp endlich die Treppe hinunterkam. In Jeans, barfuß, mit verschlafenem Blick. Er murmelte etwas, das mit Phantasie als Buon giorno zu identifizieren war, ging zum Kühlschrank, trank Orangensaft aus dem Pappkarton, setzte auf dem Herd den Espressokocher auf, brach ein Stück vom Bauernbrot ab und steuerte wortlos das Badezimmer an.
»Gut geschlafen?«, rief sie ihm fragend hinterher.
Hipp blieb eine Antwort schuldig. Sie hörte, wie er das Badewasser einließ. Im Kännchen brodelte es, das kochende Wasser stieg durch den gepressten Kaffee nach oben, im Raum duftete es verführerisch nach frischem Espresso.
Gina schaltete die Herdplatte aus, goss den Espresso in zwei Tassen, nahm eine, ging zum Bad, wollte zunächst klopfen, drückte dann aber die Klinke nach unten. Hipp hatte nicht abgesperrt. Er lag mit geschlossenen Augen in der Badewanne und schien dort seinen Schlaf fortzusetzen.
»Dein Espresso ist fertig, darf ich servieren?«, fragte sie.
Er nickte, flüsterte ein Danke und deutete auf den Rand der Badewanne. Lächelnd stellte sie die Tasse ab.
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