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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
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sozusagen. Allerdings erzählte er davon weder der Bank noch seinen Kollegen etwas, sondern setzte einen Bekannten auf das Haus an – der sollte es mit einer Vollmacht am Versteigerungstermin für ihn ersteigern. Nebenbei hatte er mit den Käufern einen Vorvertrag abgeschlossen, so als sei es sein Haus. Tja, die Sache flog auf. Der Kollege bekam gleich drei Anzeigen: eine von der Bank, eine vom Maklerbüro und eine vom Käufer, der sich natürlich geneppt fühlt. Die Sache ist mittlerweile vor Gericht, wo Matthias ebenfalls aussagen musste, und das Maklerbüro ist ins Gerede gekommen.«
    Mir fiel die Doppelhaushälfte ein, die mal im Gespräch gewesen war, und ich fragte mich, ob Matthias nicht vielleicht einen ähnlichen Deal vorgehabt hatte. Andererseits war das doch viel zu lange her.
    »Wieso hat er ihr den Beutel auf den Schoß geknallt und nicht Luna?«, fragte ich.
    »Das haben wir ihn auch gefragt, später, nachdem der Papa die Anna wieder einigermaßen beruhigt hatte«, erklärte meine Mutter.
    »Und was sagte er dazu?«, erkundigte ich mich, gespannt auf die Antwort.
    »Dass das nie und nimmer Lunas Werk war, sondern Annas.«
    »Aber warum sollte sie so etwas tun?«, fragte ich. »Wo ist da der Sinn?«

    Auf diese Frage konnten wir alle keine Antwort finden. Wie auch? Es steckte kein Sinn dahinter. Anna hatte auf Nachfrage meiner Eltern auch keine zufriedenstellende Antwort parat, außer: »Ich habe doch nur vergessen, sie rauszuholen.«
    Was sollte man mit dieser Antwort anfangen? Rauszuholen – um was damit zu tun? Sie dann in den Müll zu schmeißen? Warum also nicht gleich? Man hätte sich noch etwas zusammenreimen können, wären alle Becher sauber gewesen. Dann hätte kein Mensch etwas Besonderes daran gefunden; man hätte vermutet, dass sie die ganzen Becher für die Kinder aufhob, zum Basteln oder so. Aber so, so wirkte es einfach nur verrückt.

    Verrückt oder nicht, was ist mit ihr los? Wenn sie schon nicht zu mir will, dann könnte sie doch wenigstens mal Ole und Nils besuchen kommen. Aber nein, sie scheinen ihr auch gleichgültig zu sein. Oder welchen Grund könnte es geben? Vielleicht kann sie nicht. Ist weggezogen oder sonst wie verhindert.

Anna
    Nach Weihnachten saß Anna fast jeden Abend vor ihrem Wohnzimmerfenster und sah dem Regen zu, der gegen die Scheibe prasselte. Sie liebte das Prasseln – es beruhigte ihre Gedanken, die nur um eines kreisten. Die Tropfen fielen schnell und heftig herab, so dass es unmöglich war, sie zu zählen. Sie hoffte, dass es bald einmal schneite, der Anblick unberührten Schnees auf dem Rasen hatte etwas Verwunschenes, Märchenhaftes, und sie freute sich auf die ersten Flocken wie ein Kind. Als kleines Mädchen war sie oft, wenn in der Wettervorhersage von Schneefall die Rede gewesen war, im Flur ihres Elternhauses ans Fenster gelaufen und hatte in den Lichtschein der gelblichen Straßenlaterne geblinzelt, in der Hoffnung, dort die Reflexion der ersten feinen Flöckchen zu entdecken, die den Winter brachten. Früher hatte es öfter geschneit als heutzutage. Allerdings lag Bad Homburg hoch genug, so dass die Wahrscheinlichkeit auf ein wenig weiße Pracht größer war als in Frankfurt, wo Silvie wohnte.
    Für sie war es eine Genugtuung, wenn sie Silvie anrufen konnte, um zu fragen: »Und, auch schon Schnee?« Wenn Silvie verneinte, was sie meistens tat, fühlte sie sich privilegiert. So nah an Frankfurt und doch alles anders. Heile Welt.
    Seitdem sie das Arbeitszimmer auf den Kopf gestellt hatte, hatte sie keinen Fuß mehr hineingesetzt. Matthias hatte den Schlüssel an seinem Schlüsselbund befestigt, den er nicht aus den Augen ließ – in der Nacht legte er ihn unter sein Kopfkissen. »Das ist zu deinem eigenen Besten«, hatte er erklärt.
    Da das Arbeitszimmer verschlossen war, konnten weder sie noch die Mädchen an den Computer, was sie dazu veranlasste, ununterbrochen den Fernseher laufen zu lassen und nochmals die Dosis zu erhöhen. Ihre eigene wenigstens. Viel Geduld brauchte sie ohnehin nicht mehr, die Tage verschwammen im gleichförmigen Trott, an die Übelkeit und das gelegentliche Erbrechen hatte sie sich gewöhnt – genauso wie an Magenschmerzen und Durchfall. Hauptsache, der Kopf war still. Still und leer. Das Denken fiel ihr nicht leicht, zu oft brachen die Gedanken ab, führten sie zu Orten, die sie nicht kannte, der freien Phantasie entsprungen. So behauptete wenigstens Matthias. Als sie ihn darauf angesprochen hatte, ob er die

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