Hirngespenster (German Edition)
Herz«, waren ihre Worte, und auch wenn viel Spott darin lag, da sie es unmännlich fand, wie Alex ihr die Hausschuhe ans Bett brachte, so stimmte die Essenz des Gesagten. Er war sensibel, und ihm lag etwas an ihr, Punkt. Dass er sich mit seinen Gefälligkeiten anbiederte, war eine Wahrnehmung ihrerseits – solche Gefälligkeiten von Johannes hätten sie im siebten Himmel schweben lassen.
»Das ist Quatsch, das denkst du nur«, war Tanjas Meinung. »Wenn man etwas von jemandem nicht bekommt, dann will man es umso mehr. Wenn Johannes das gemacht hätte, hätte dich das auch genervt.«
Aber sie hatte das alles von Johannes bekommen. Sabina dachte an die Abende, wenn Johannes sie ausgezogen hatte wie ein Kind. Nicht, um mit ihr zu schlafen, sondern um sie ins Bett zu bringen für die Nacht ohne ihn, in der er neben Silvie liegen würde. Er hatte ihr das Schlafshirt übergestreift, sie unter die Decke gepackt und ihr einen leichten Kuss auf jedes Augenlid gehaucht, bevor er nach Hause zu Silvie gefahren war. Und sie hatte nie genug von diesen Zärtlichkeiten bekommen können, nie. Übrigens genauso wenig wie vom Sex. Johannes machte Liebe, indem er darauf achtete, dass sie auf ihre Kosten kam. Alex auch, aber es wirkte so pflichtbewusst. Wie ein Hündchen, das mit dem Schwanz wedelte. Sie wollte das nicht mehr.
Heute jedoch reagierte Alex anders als erwartet. Er wedelte nicht mit dem Schwanz, sondern starrte sie die ganze Zeit nur spöttisch an. Schließlich tippte er sich mit dem Zeigefinger an die Stirn.
»Du bist noch nicht so weit?«, fragte er. »Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Der Businessplan ist fertig. Die Anträge sind ausgefüllt und auf dem Weg. Wofür brauchst du mich also noch?« Er sah sie mit schmalen Augen an. Von seinem umwerfenden Lächeln keine Spur.
»Aber das ist doch völliger Quatsch!«, rief Sabina und schüttelte den Kopf. »Das hat doch überhaupt nichts …«
»Doch, das glaube ich aber schon! Du hattest keine Ahnung, wie man ein Business aufbaut. Ich habe dir alle Ideen geliefert, sei es Marketing, Preisfindung, Vertrieb. Du brauchst nur nachzulesen, und schon weißt du, was du zu tun hast. Und jetzt bin ich abserviert?« Er erhob sich und sah aus, als wolle er sie anspucken.
Sabina wusste nicht, was sie sagen sollte, hörte ihm nur sprachlos und kopfschüttelnd zu.
»Du hörst von mir«, sagte Alex und machte sich auf den Weg zur Wohnungstür.
Sabina eilte ihm hinterher. »Alex, bitte, lass uns noch mal über alles …«
Doch die Wohnungstür schlug mit einem lauten Knall ins Schloss.
Sabina ließ sich im Wohnzimmer erschöpft aufs Sofa fallen. Konnte nicht fassen, wie schief die Dinge in ihrem Leben liefen. Sie hatte Alex auf keinen Fall verletzen wollen. Und ausnutzen schon gar nicht.
Sie schloss die Augen. Und wie von selbst gingen ihre Gedanken zu zwei kleinen Jungen vor einem Weihnachtsbaum, einer blonden Frau mit Gitarre und einem Mann, der Seife schickte.
Manchmal reitet mich der Teufel. So lieb ich Sabina auch inzwischen gewonnen habe, manchmal kann ich sie nicht ausstehen. Immer weiß sie alles besser! Will alles bestimmen, vor allem über mich. Ich weiß gar nicht, was sie sich einbildet, wenn sie sich darüber beklagt, dass ich mich lieber von Johannes ins Bett bringen lasse oder seine Nähe suche. Wenn überhaupt – ich schmuse nun mal nicht so gerne, außer ich habe Bauchschmerzen oder bin gestolpert. Das kommt oft genug vor. Dann lasse ich mich gerne von Sabina beruhigen.
»Aha, jetzt bin ich dir also wieder gut genug«, sagt sie dann und verarztet mich, und ich lausche vergnügt dem tadelnden Unterton. Manchmal zapple ich dann noch ein bisschen herum, um es ihr ein bisschen schwerer mit mir zu machen.
Am besten kann ich sie dadurch reizen, dass ich mir nicht die Schuhe anziehen lasse. Ich kreise mit meinen Füßen, dem linken oder dem rechten, ganz egal, und sie packt irgendwann zu, als würde sie eine Ratte fangen: Mit festem Griff umschließt sie meine Fessel und treibt sie in den Schuh. Manchmal haue ich ihr dann mit der Hand auf den Kopf. Einmal zog sie mir danach die Schuhe wieder aus und brachte mich auf mein Zimmer. Eine Ewigkeit musste ich dort bleiben, bis Nils und Ole kamen und ihr Spielzeug mitbrachten.
Ein andermal habe ich es wohl übertrieben. Ich war den ganzen Tag lang schlecht gelaunt, rührte mein Essen nicht an, weigerte mich, eines ihrer Kleider anzuprobieren, und als ich schließlich nach ihr schlug, weil sie mich waschen wollte,
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