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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
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Weiß der Geier, wie ich darauf gekommen war. Anscheinend erwartete ich seine Anerkennung: »Danke, Silvie, dass du mit den Kindern in eine Wohnung ziehst, die seit Monaten dein Liebesnest ist, in der alles ihm gehört und nichts dir.« Oder traute ich Johannes gar keine Emotionen mehr zu? Ich weiß es nicht. Vielleicht war es auch die Tatsache, dass ich einen Blick in die Kiste im Keller geworfen hatte und Sabinas Bild nicht mehr darin lag.
    Jens wollte sein Arbeitszimmer für die Jungs frei räumen und im Wohnzimmer einen Arbeitsplatz für uns einrichten, einen Kellerraum dazumieten, für die paar wenigen Dinge, die ich aus meiner Wohnung mitbringen wollte. Ich fragte ihn, ob ich die Küche grün streichen dürfte, und er griff sich an den Kopf: »Ausgerechnet grün? Der Rest meiner Wohnung ist grau!«
    »Das lässt sich ändern«, lachte ich.

    Bevor es jedoch am nächsten Tag zur Verwirklichung unserer Pläne kommen konnte, erhielt ich in der Nacht einen Anruf meiner Mutter. Ich lag wach und grübelte gerade, wie ich meine Beichte vorbringen sollte – vor Nervosität hielt ich es kaum noch aus. Ich wollte es hinter mich bringen und gleichzeitig niemals tun.
    »Anna ist verunglückt«, flüsterte meine Mutter durch die Leitung.
    »Oh mein Gott«, hauchte ich, »was ist passiert?«
    »Sie ist gegen einen Betonpfeiler gefahren.«

    Was mich so langsam wirklich nervt ist die Sache mit dem An- und Ausziehen. Gut, ich kann es nicht allein. Nicht mehr. Aber Sabina sagt: noch nicht. Mich regt das auf! Sie könnte mich ruhig mal versuchen lassen, ob ich es inzwischen wieder allein schaffe. Sicher, ich weiß nicht, wo vorne oder hinten ist, und mit den Knöpfen habe ich auch so meine Probleme, aber immerhin, meine Strümpfe kann ich schon alleine ausziehen. Doch das passt ihr auch wieder nicht. Dabei laufe ich gerne barfuß, ich fühle mich dann so frei. Und wenn ich mich bei Johannes beschweren will, ihm zu verstehen gebe, dass bitte, bitte er mich umziehen soll, dann stellt sie sich einfach mit dem Rücken zu meiner Zimmertür und sagt: »Bis hierhin und nicht weiter, Frollein!« Respektlos, oder? Einmal nur, da hab ich es geschafft. Ich hab gegen meine Zimmertür getrommelt, bis sie schließlich aufgab und aus dem Raum stürmte. »Mach du!«, brüllte sie Johannes an, und er kam zu mir ins Zimmer. Wir umarmten uns, und er trocknete meine Tränen. Und dann hab ich mich von ihm umziehen und waschen lassen.
    Apropos waschen. Ich würde mich gerne selbst waschen, aber ich darf nicht. Ab und zu drückt sie mir einen Waschlappen in die Hand, und wenn ich es dann versuche, so gut es geht, dann lacht sie und sagt »Siehst du!«, und schwupps, nimmt sie mir den Waschlappen wieder weg. Anstrengend ist sie, wirklich anstrengend. Aber sie kocht gut. Zwar nicht so gut wie Olga, die manchmal vorbeikommt und die leckersten Eintöpfe mitbringt, die ich je gegessen habe. Sie bringt mir auch Gummibärchen mit, was Sabina immer mit einem Kopfschütteln quittiert. Um den Inhalt gibt es meistens eine Rangelei. Ich gewinne immer.
    Ganz im Gegensatz zu meinen Bemühungen, wieder in meinem alten Bett Einzug zu halten. Selbst wenn ich mich allein hineinlege – was sie nicht stören dürfte –, sie duldet es nie lange. Hat Angst, das könne zur Gewohnheit werden. Dabei ist es so gemütlich in diesem großen Bett. Es kommt mir riesig vor, viel größer als früher. Wobei, es ist sowieso neu, ich glaube, das alte wollte sie nicht mehr haben. Sonntagmorgens drückt sie ein Auge zu, dann dürfen alle ins Bett, auch Nils und Ole. Mit den beiden zu kuscheln ist das Größte für mich. Meistens steht sie dann auf, macht Frühstück für uns. Manchmal knallt sie mit den Schubladen, so lange, bis ich aus dem Bett rauskomme und meine Hilfe anbiete. »Du hast mir gerade noch gefehlt«, sagt sie dann und drückt mir einen Lappen in die Hand, damit ich den Tisch abwischen kann oder das Besteck und die Gläser. Das passt ihr dann meistens auch nicht, und es ist schon vorgekommen, dass sie mich wieder zurück zu den anderen ins Bett schickte.
    Einmal hü, einmal hott.

Sabina
    Unter dem Begriff »Spiegelpalast« hatte Olga sich offenbar etwas anderes vorgestellt als das, was sie erblickte, als sie und Sabina von ihrem Parkplatz an der Straße über den feuchten Asphalt staksten. Überhaupt, die Lage des Palazzo schien sie zu enttäuschen. Am Rande des Messegeländes und in unmittelbarer Nachbarschaft des Gallusviertels gelegen, entsprach es nicht gerade

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