Hirngespenster (German Edition)
nach Hause kam. So lange, bis seine Lippen schmerzten und Sabinas Kinn rot leuchtete. Und beide wund waren zwischen den Beinen, das brauchte er mir nicht zu sagen. Ich war ein wenig neidisch auf seine Schilderungen, die von Sex sprachen, wie ich ihn nicht kannte. Ich hatte schon mit zwei Jungen geschlafen, auf einer Rücksitzbank und mit der Angst im Nacken, jemand könne uns entdecken. Oft war ich erregt, aber nie befriedigt gewesen. Danach hatte ich immer das schale Gefühl verspürt, nicht bekommen zu haben, was mir zustand. Was genau, davon hatte ich jedoch keine Ahnung. Anderen Mädels in meinem Alter ging es genauso. »Ob ich mir einen Tampon reinschiebe, oder ob Thomas mir sein Ding reinschiebt, macht keinen Unterschied«, flüsterte eine meiner Freundinnen kichernd, als wir einmal reichlich gesoffen hatten – und ich wusste genau, was sie meinte. Wobei so ein Tampon leichter reinging.
Johannes erklärte mir in einem unserer Gespräche, er wolle Sabina endlich vergessen. »Besser vergessen, als ewig dem hinterherzutrauern, was man nicht kriegen kann. Außerdem kann ich drauf verzichten, mir nochmal die Finger zu verbrennen.«
Inzwischen hatte Sabina einen neuen Freund namens Ben aus der Footballmannschaft, doch ihr Foto hing weiterhin neben seinem Bett.
So viel zum Thema »vergessen«.
Wir trafen uns regelmäßig, meist in Gesellschaft mit anderen, spielten Scrabble und Back Gammon in einem Café – manchmal saßen wir stundenlang dort und hielten uns an einem Glas Ginger Ale oder Apfelwein fest. Er erkundigte sich häufig nach meiner Familie, wie es sei mit zwei Elternteilen und einer Schwester – ob es schwierig sei, alles zu teilen. Ich sagte: »Wir teilen gar nichts, noch nicht mal die Interessen«, und er lachte. Er hatte immer gedacht, seinen Geschwistern stünde man automatisch nah. Ich schüttelte den Kopf. »Wenn man zu oft gekränkt wird, ist es besser, man zieht sich zurück.«
Er nickte. »Kann ich verstehen.«
Ich glaube, das konnte er tatsächlich.
Deshalb fiel es mir auch so leicht, mit ihm zu reden. Er war sensibel. Und blind für andere Frauen – mit Ausnahme von Sabina.
Dies änderte sich schlagartig, als ich meinen Schlabberpulli ab- und mir einen Jeansrock und ein enges Oberteil zulegte. Ich wollte mal was Neues ausprobieren.
»Was ist denn mit dir los?«, fragte er, als ich auf einer Party eintrudelte. »Warst du beim Zahnarzt?«
Ich tippte mir an die Stirn. »Johannes, ich glaube, es ist alles neu an mir – alles, bis auf meine Zähne«, antwortete ich und gesellte mich zu meinen Freundinnen, die mein Outfit bewunderten. Die meisten hatten längst ihre Ökophase hinter sich. Johannes kam mir hinterher und berührte mich an der Schulter. »Sorry Silvie. Keine Ahnung, wie ich auf Zahnarzt gekommen bin!« Er grinste verlegen. »Du siehst gut aus, wirklich. Gefallen mir, deine neuen Klamotten.«
Ich hob die Schultern. »Ist schon gut.«
Trotzdem fixierte er mich noch den ganzen Abend, und obwohl ich es nicht wollte, fühlte ich, wie mir die Röte in die Wangen stieg. Hallo? Ich war noch die Gleiche wie vorher! Und überhaupt – was gab es denn zu gucken?
An diesem Abend kiffte und soff ich ununterbrochen, bis mir schlecht war. Ich war noch die Alte, hatte nur neue Klamotten an, damit hier nur keine Missverständnisse aufkamen! Allerdings scharwenzelten auch die anderen Jungs an diesem Abend auffällig um mich herum. Wahrscheinlich lag ich – unter heutiger Betrachtung – doch recht aufreizend in der Gegend herum, mit meinem kurzen Jeansrock und dem darunter hervorblitzenden schwarzen Slip.
Johannes ließ mich nicht aus den Augen. Egal, in welchen Raum der Party ich wechselte, ich konnte sicher sein, dass er kurz darauf folgte.
»Hallo Patrouille«, sagte ich, als er erneut hinter mir stand. Er drehte mich zu sich herum und hielt meinen Blick fest. Ich blinzelte und sah zuerst weg. Mir war noch nie aufgefallen, dass er so schöne braune Augen hatte.
»Silvie«, drängte er, als es schon auf zwei Uhr morgens zuging und ich es mir in einer Ecke bequem gemacht hatte, um zu schlafen. »Ich bring dich heim.«
»Schkannochfahr’n«, lallte ich.
Er schnaubte. »Komm' Silvie, lass mal gut sein, ich fahr dich.«
Widerstrebend ließ ich mich von ihm auf die Füße ziehen. Er zog mich hinter sich her zu seinem Auto und bugsierte mich auf den Beifahrersitz, wo ich umgehend einschlief. Bei mir zu Hause angekommen, lud er mich aus, und wir standen vor meiner elterlichen Haustür
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