Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
Vom Netzwerk:
deutete auf die umliegenden Häuser, »du hast doch bestimmt jede Menge Kontakte, allein durch die Kinder.«
    Anna hob die Schultern. »Ich bin einfach nicht so kommunikativ wie du. Am liebsten hab ich eigentlich meine Ruhe.«
    Das hatte ich schon mal von ihr gehört. »Na, dann kann es dir doch nur recht sein«, entgegnete ich. »Sonst müsstest du bei denen auf der Terrasse sitzen, und das willst du doch auch nicht.«
    Anna runzelte die Stirn: »Sie sollen mich doch nur grüßen und ansonsten in Frieden lassen.«
    »Dann solltest du ihnen vielleicht deine Spielregeln erklären: nur gucken, nicht anfassen.«
    Sie winkte ab. »Ach, du wieder. Es ist doch nicht nur das. Die stecken immer die Köpfe zusammen, wenn ich außer Hörweite bin. Ich sehe das, Silvie – wenn ich aus der Garage fahre, dann glotzen sie mir hinterher und schütteln die Köpfe. Du da in deinem Mietshaus, du hast mit so was keine Probleme!«
    Es stimmte. Man grüßte sich im Hausflur, und das war's. »Na, dann zieh halt in ein Mietshaus. Aber das ist ja auch wieder nichts.«
    Um das Thema zu wechseln, erkundigte ich mich nach Matthias. Mich wunderte, dass er nie zu Hause war. Angeblich hatte er oft Kundentermine, die abends stattfanden, weil die meisten Kunden tagsüber arbeiteten. Oder er war auf Parteitreffen oder Ortsvorstandssitzungen des Lions Club. Klang plausibel. Und warum hätte ich daran zweifeln sollen? Anna versäumte bei keinem unserer Treffen, Matthias' Qualitäten als Vater und Ehemann in den Himmel zu loben.
    Ich persönlich wertete seine abendliche Abwesenheit als positives Zeichen. So konnte ich wenigstens sicher sein, dass meine Schwester nicht mehr Sex hatte als ich. So weit war mein Frust schon gediehen, dass ich Sex nicht einmal mehr anderen gönnte.
    Als mir nichts mehr einfiel, worüber ich mich noch mit ihr unterhalten konnte, warf ich einen Blick auf die Uhr und sagte: »Ich muss los, Anna, ich halte dich auf dem Laufenden.«
    »Weswegen?«
    »Na, wegen des Babys«, sagte ich und deutete auf meinen noch flachen Bauch.
    Sie legte wieder den Finger an die Lippen. »Psst! Die hören hier was von einem Baby und denken, ich bin wieder schwanger!«
    Ich lachte. »Sei nicht paranoid. Meinst du, die haben nix Besseres zu tun, als dauernd über dich zu reden?«
    Anna kniff die Lippen zusammen. »Dann glaubst du mir eben nicht«, sagte sie und erhob sich. Mit spitzen Fingern nahm sie unsere Gläser vom Tisch und wischte erneut die Tischplatte ab, auf der kein Krümel zu sehen war. Dann machte sie sich auf den Weg in die blitzblanke Küche, und ich trottete hinter ihr her.
    »Vielleicht solltest du wieder arbeiten gehen«, schlug ich vor. »Das würde dich bestimmt ein bisschen ablenken, von dem ganzen Spießertum hier.«
    Es war ein gutgemeinter Rat, weiter nichts. Doch Anna fuhr herum und kniff die Augen zusammen. »Ich sorge für meine Kinder, ist das etwa keine Arbeit? Und das hier hat nichts mit Spießertum zu tun, Silvie, das sind alles Zicken, die über mich reden. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn ich arbeiten ginge. Ganz im Gegenteil, das wäre ein gefundenes Fressen für die! Die würden doch denken, dass Matthias nicht genug verdient!«
    »Ah«, sagte ich dumm und machte den Mund wieder zu.
    Dann hielt ich eben meine Klappe.

    Meine körperliche Verfassung macht mich wahnsinnig. Ich kann die Male nicht mehr zählen, die ich hingeknallt bin, auf den Boden, Sabina zu Füßen. Sie kriegt jedes Mal einen Anfall. Hebt mich vorsichtig auf, überprüft, ob noch alles dran ist an mir. Einmal hat sie sogar geweint. Ich brülle sie an, was das Zeug hält. Soll sie mich doch besser sichern! Ich hab noch keinen so guten Halt! Aber sie verdreht die Tatsachen. Ich sei schuld, ich bringe mich selbst in diese Situation, weil ich einfach nicht stillsitzen könne. Ich kann nur fragen: Warum sollte ich? Bin ich etwa eine Puppe? Ich muss mich doch bewegen, verdammt noch mal!
    Mitunter setzt sie mich vor den Fernseher, damit ich Ruhe gebe. Die tollsten Dinge soll ich mir ansehen – nichts dabei, was mich auch nur ansatzweise interessiert. Ausschließlich ausgewähltes Programm, damit ich mich nur ja nicht aufrege. Auf dem Kinderkanal. Sie lacht, wenn ich mir fassungslos diesen Schwachsinn ansehe und nach kürzester Zeit anfange zu protestieren. »Genügt das nicht deinem intellektuellen Anspruch?«, fragt sie spöttisch.
    Nee, denke ich und brülle so laut ich kann.
    Manchmal hält sie sich die Ohren zu und meint zu Johannes:

Weitere Kostenlose Bücher