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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
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»Man sollte nicht glauben, dass auch nur ein Funken Verstand in diesem Weib steckt! Soll sie sich doch freuen, dass sie was zu gucken hat.«
    Dann lacht er und nimmt mich in den Arm, streichelt mich so lange, bis ich grinsen muss und meinen Kopf an seiner stachligen Wange reibe. Ich weiß, dass Sabina uns eifersüchtig beobachtet, und ich lege noch meine Arme um seinen Hals. Schließlich schaltet er zusammen mit mir durch die Programme, bis ich ihm ein Zeichen gebe. Ein Koala ist zu sehen, der an einem Eukalyptusblatt knabbert. Und ein Känguru. Ich werde ganz still und schaue es mir mit offenem Mund an.

    Wir heirateten auf dem Ayers Rock. Ich hieß nun Silvie Jakobi und war eine verheiratete Frau mit sich wölbendem Bauch. Sexuell lief nicht einmal in der Hochzeitsnacht etwas – Johannes trank genug, um sogleich schnarchend einzuschlafen, nachdem wir zu Bett gegangen waren – an den restlichen Abenden unserer Reise nicht anders.
    Zurück in Deutschland ging er grundsätzlich später ins Bett als ich, und wenn ich ihn mal vorsichtig anstupste und fragte, ob er nicht müde sei – sprich: mit mir ins Bett wollte –, dann warf er immer einen Blick auf die Uhr und sagte: »Ich komm' gleich.« Anfangs wartete ich noch auf ihn, später nicht mehr. Ich war verletzt. War das nun die Strafe für meine Fahrlässigkeit? Oder was?
    »Lass uns warten, vielleicht geht was kaputt«, argumentierte er.
    Ich rief meinen Frauenarzt an und bat ihn, bei der nächsten Untersuchung Johannes darauf hinzuweisen, dass man keinerlei Rücksicht zu nehmen brauche; auf gar nichts. Doch der Wink mit dem Zaunpfahl nutzte überhaupt nichts. Johannes' Lust auf mich war tot, das Organ zwischen seinen Beinen leblos.
    Über mich brach die Hölle herein. Bildlich gesprochen hatte ich als Schwangere einen Dauerständer. Und keine Aussicht auf Erlösung. Legte ich meine Hand in Johannes' Schritt, wischte er sie beiseite. Allein meine Versuche, mich im Bett nur an ihn zu kuscheln, führten dazu, dass er nach einer Weile sagte: »Sorry Silvie, aber ich muss mich mal auf die Seite drehen.« Sprach's und kehrte mir den Rücken zu. Und ständig ging er aus. Mit Sven. Mit ehemaligen Schulkameraden, von denen ich noch nie etwas gehört hatte, aus seiner Realschulzeit.
    »Nimm mich doch mal mit, ich bin deine Frau«, sagte ich, aber er schüttelte den Kopf. »Das sind alles Junggesellen, wir trinken ein Bier und reden über alte Zeiten.«
    »Früher hast du nie Bier getrunken«, sagte ich.
    Großspurig verschränkte er die Arme hinter dem Kopf. »Ich bin jetzt ein verheirateter Mann, da macht man so was«, zwinkerte er.
    Wir hatten nur ein Auto, ich konnte ihm nicht hinterherfahren.
    »Was sind das eigentlich dauernd für Termine?«, fragte ich, als auch Geschäftsessen dazukamen.
    »Es werden Investoren gesucht«, bekam ich zur Auskunft.
    »Und was hast du damit zu tun? Du bist Chemiker und kein Betriebswirt.«
    Er nickte. »Stimmt. Aber es muss auch einer aus der Fachabteilung dabei sein.« Dann beugte er sich zu mir herüber und streichelte meine Wange. »Bald ist es vorbei«, versprach er. »Spätestens«, tippte er auf meinen Bauch, »wenn das Baby da ist.« Die Zweideutigkeit hinter seinem Satz blieb mir verborgen.
    Hoffen und warten also, dachte ich. Dass die Junggesellen aus alten Zeiten uninteressant wurden. Dass die Investoren zu Potte kamen. Was hätte ich sonst tun sollen? Ich fühlte mich verschmäht und verstoßen. Und erneut bestraft – dabei hätte ich nicht einmal sagen können für was. Inzwischen schien er sich immerhin leidlich auf das Baby zu freuen. War es etwa schlimm, wenn man als Schwangere Lust auf Sex hatte? Wenn man eine Umarmung wollte, ein gemeinsames Betrachten des wachsenden Bauchs? Offensichtlich. Ich hatte Angst vor der Geburt, vor dem, was mich erwartete. Ich würde mit gespreizten Beinen vor Johannes liegen – das hatte ich seit Monaten nicht getan. Doch meine Sorge war ohnehin unbegründet. Unter der Geburt war es mir wirklich egal, ob er mich so sah oder nicht.

    Johannes hat mir heute wieder mal was für die Feinmotorik mitgebracht. Er hat einen Fernsehbericht darüber gesehen, und ich darf die Sache ausbaden. Es ist ein Steckspiel, und Ole zeigt mir geduldig, wie es geht. Sabina beobachtet uns beide, sie macht sogar ein Foto und zeigt es uns sofort auf ihrem Display. Manchmal hat sie gute Ideen – auch wenn ich mit mir auf diesem Foto rein gar nichts anfangen kann. Das soll ich sein? Ich starre das Bild an und

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