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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
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»Bitte ruf mich nie wieder an. Ich halt das nicht aus.«
    Sie war sich sicher, dass er sich daran halten würde. Dass ihm ihre Worte sogar Erleichterung verschafften, egal, wie sehr sie vielleicht schmerzten. Es gab einfach andere Dinge, um die er sich kümmern musste. Er hatte jetzt einen Sohn, den er liebte. Für sie würden wenige Gedanken übrig bleiben.
    Sabina lauschte hinüber zur Nachbarwohnung, in der sich etwas regte. Es war erst vier Uhr morgens, und Olga sollte diese Woche Spätschicht haben – da war es um diese Zeit eigentlich ruhig. Vielleicht war nur einer aufs Klo gegangen, und es kehrte gleich wieder Ruhe ein. Langsam drehte sie sich zur Seite, ihr Körper in Lauschstellung. Dann hörte sie es. Das Klack-klack-Klack von Olgas Absätzen, die sich zur Frühschicht fertig machte. Hin und her. Offenbar hatte sie die Schicht getauscht, mit einer ihrer Kolleginnen, für die sie alles tat. Kleine schnelle Schrittfolgen »klackklackklack« wechselten sich ab mit langsameren Schritten – klack-klack-klack, bis sie schließlich nach unendlich anmutenden Minuten in ihrem kleinen Flur stehen blieb und ihren Schlüssel leise klirrend in ihre Tasche gleiten ließ. Vermutlich in das kleine schwarze Lacktäschchen mit der überdimensionalen silbernen Schnalle, das sie Sabina am Nachmittag im Hausflur präsentiert hatte.
    »Habe ich geschnappt auf Zeil«, hatte Olga erklärt und mit ihrem pink lackierten Fingernagel auf die Tasche getippt. »Fufffzehn Euro!«
    »Nicht geschnappt, Olga. Man macht Schnäppchen, aber man schnappt nicht.«
    »Is Unterschied?«
    »Großer Unterschied!«
    »Ah. Schöne Tasche ist?«
    Sabina hatte einen näheren Blick auf das Objekt geworfen und gezwinkert: »Für fünfzehn Euro kann man nicht meckern.« Über Olgas Geschmack ließ sich nun mal streiten.
    Olga hatte eifrig genickt und war mit ihrem Finger über die leise quietschende Kunststoffbeschichtung gefahren; anschließend hatte sie über die Schnalle mit silberfarbenem Lack gestrichen, der bereits abzublättern begann. »Ich liebe!«, hatte sie gehaucht und war seufzend die Treppe hochgestiegen. Und Sabina hatte sich beeilt, schnell zur Arbeit zu kommen.
    Eben öffnete Olga die Wohnungstür und ließ sie mit einem leisen Klick hinter sich ins Schloss fallen. Endlich war wieder Ruhe.
    Sabina horchte nach drüben. Alles blieb ruhig. Sie nahm eine entspanntere Haltung ein und versuchte, den Gedanken an das Neugeborene in Silvies Armen zu verdrängen. Und an Johannes, der mit geschlossenen Augen seine Nase über den zarten Flaum eines Babyschopfes gleiten ließ.
    Es dauerte lange, bis sie eingeschlafen war. Vor allem aber wegen Vladimir, der sich für die nächste Viertelstunde die Seele aus dem Leib hustete.

    Kurz vorm Einschlafen, wenn Stille eingekehrt ist, kann ich gut denken. Wenn um mich herum der Bär tobt, fällt es mir schwer, mich auf meine Erinnerungen zu konzentrieren oder auf das, was ich erreichen möchte. Ich wünschte, mir käme ein guter Einfall, wie ich Sabina und Johannes nur begreiflich machen könnte, was mit mir los ist. Ich muss ihnen doch verklickern können, dass sie Anna einmal einladen sollen – wenn sie mich schon von selbst nicht besucht. Doch wenn ich mir auch solche Dinge überlege, wie auf der Autofahrt in die Richtung zu zeigen, in die sie fahren sollen, nämlich nach Bad Homburg, dann habe ich es garantiert wieder vergessen, wenn es so weit ist. Ohnehin weiß ich genau: Wenn morgen der Tag anbricht und ich die Aufmerksamkeit der beiden sicher habe – da habe ich dann wieder einen Blackout! Sitze beim Frühstück und gucke in die Luft oder betrachte meine Hände, mit denen ich früher so verdammt viel anfangen konnte. Denke an nichts! Es ist zum Verrücktwerden! Ich könnte ihnen ja den Autoschlüssel bringen, vorausgesetzt, ich dächte daran.
    Aber ich kann mich ja noch nicht einmal fortbewegen.

Silvie
    Was mich nach Nils' Geburt wirklich verwirrte, war die Tatsache, dass Johannes wie ausgewechselt war. Er schwirrte um mich herum, als sei ich eine griechische Göttin; kochte mir Stillkost und tanzte mit dem Baby durch die Wohnung. Obwohl ich protestierte, lud er seine Mutter und meine ganze Familie ein, um den stolzen Papa und Ehemann zu mimen. Ich war irritiert, wartete jeden Moment darauf, dass er sich umwandte und »April, April!« rief. Auf mich wirkte sein Verhalten wie aufgesetzt – als hätte man einen Schalter umgelegt.
    »Johannes«, sagte ich, »es war hart für mich, wie du mich

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