Hirngespenster (German Edition)
abserviert hast, als ich schwanger war.«
Er küsste zuerst Nils auf die Stirn und dann mich. »Das stimmt doch gar nicht, Silvie. Nein, abserviert habe ich dich nicht. Ich hatte einfach viel zu tun.«
»Doch, das hast du. Du hast mich ignoriert!«
Er blickte mich reumütig an. »Lass uns neu anfangen.«
Ich betrachtete ihn nachdenklich, den Vater meines Sohnes. Ich wollte ja selbst einen Neuanfang und ihm vergeben. Ob ich es konnte, wusste ich nicht.
Als Anna kam, betrachtete sie Nils ehrfürchtig. »Du hast einen Jungen bekommen«, sagte sie, und fast erwartete ich wieder einen Vortrag über das unverschämte Glück, das ich doch hatte. Doch sie erwähnte nichts in dieser Richtung. Im Gegenteil, sie sagte lächelnd: »Jetzt haben wir was gemeinsam.«
Matthias ließ sich nach der kurzen Beglückwünschung auf unserem Zweisitzersofa nieder und blätterte in einer Autozeitschrift. Hin und wieder sah er auf und checkte die Lage oder warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Einmal nur erwachte er zum Leben, hielt die Zeitung hoch und deutete auf eine schwarze Limousine. »Die macht was her!«, sagte er anerkennend und versank dann wieder in Sprachlosigkeit. Anna unterhielt sich mit unseren Eltern über die Kinder und machte sich schließlich nützlich, räumte ein wenig das auf, was in den Tagen seit der Geburt liegengeblieben war. Luna war sechs und gerade in die Schule gekommen. Sie strich Nils behutsam mit ihrem Zeigefinger über die Nase und fragte flüsternd: »War ich auch mal so klein?«
Ich nickte. »Alle Babys kommen so klein auf die Welt.«
»Ich weiß, wie die Babys gemacht werden«, sagte sie und strich Nils zart über die kleinen Fingerchen. Ich nickte versonnen und wollte das Thema dabei belassen, als sie fortfuhr: »Das hört sich so an, als hätte die Mama ganz schlimmes Bauchweh.«
Anna stand ein paar Meter abseits mit meinen Eltern und beobachtete Emma und Clara mit Argusaugen, die im Begriff waren, in Nils' Stubenwagen zu klettern. Wow, dachte ich.
»Die Mama schreit manchmal so richtig laut, und ich frag' mich, wann das Baby endlich kommt«, flüsterte Luna und sah mich fragend an.
Ich räusperte mich und warf einen unsicheren Blick auf Matthias, der sich die nächste Zeitschrift gegriffen hatte. »Luna. Bestimmt hat die Mama wirklich Bauchweh und bekommt gar kein Baby, da hast du was falsch verstanden. Sie hat doch gar keinen dicken Bauch.«
»Trotzdem. Die Mama hat gesagt, Babys machen tut weh und sie zu kriegen auch. Da kann man nichts machen.«
Es ärgerte mich, dass Anna ihrer Tochter einen solchen Unfug auftischte und die Kleine total vorbelastete. Unter Aufklärungsgesprächen verstand ich etwas anderes. Und außerdem – konnte sie sich nicht zusammenreißen? Sie ängstigte das Kind doch mit ihrer Schreierei! Andererseits fand ich die Vorstellung zum Piepen. Anna in Ekstase, hatte man Worte!? Vorstellen konnte ich mir das beim besten Willen nicht, und ich betrachtete wieder Matthias, der weiterhin wie festgewachsen auf unserem Sofa saß. Dass dieser Mann zu heftigen Hüftbewegungen überhaupt in der Lage sein sollte, war unvorstellbar. Verstohlen betrachtete ich Anna, die aus den herumliegenden Elternzeitschriften Stapel bildete, Nils' Spuckwindeln zackig zusammenlegte und ständig Emma und Clara zurückrief, die wie kleine Indianermädchen durch die Wohnung fetzten.
In einer etwas ruhigeren Minute, in der meine Eltern und meine Schwiegermutter sich mit Luna, Emma und Clara zum Spielen an den Tisch gesetzt hatten, folgte ich ihr in unsere kleine Küche, wo sie das Geschirr in der Spülmaschine verstaute. »Alles klar bei dir und Matthias?«, erkundigte ich mich beiläufig.
Sie warf mir einen merkwürdigen Seitenblick zu und erwiderte: »Er hat viel um die Ohren.«
»Ja, okay, aber ich meine, mit dir und ihm, ist da alles in Ordnung?«
Stirnrunzelnd richtete sie sich auf. »Sicher. So wie es in einer Ehe eben ist. Er arbeitet, und ich kümmere mich um die Kinder. Wirst du schon noch sehen. Der Johannes wird sich auch nicht die ganze Zeit vor Eifer überschlagen und um dich herumscharwenzeln, so wie im Moment.«
Ich sah sie prüfend an. Ich konnte mich an keinen Zeitpunkt erinnern, an dem Matthias um sie herumscharwenzelt wäre. Außerdem wollte ich es genau wissen, was es mit Lunas Bemerkung auf sich hatte und frotzelte: »Ich muss mir doch jetzt keine Sorgen machen, ich meine, Sex hat man doch trotzdem noch, auch wenn Kinder da sind. Man hat doch seine …
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