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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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hältst du mich?«
    »Nein, Leni, den Fall bekommt der Angermayer. Nur am Anfang zieh ich
dich mit dazu, weil du dich hier gut auskennst, weil du eine alte Bergsteigerin
bist.«
    »Danke für die Alte«, sagt Leni, »aber es stimmt ja auch.«
    »Jetzt hab dich nicht so und bring mich nicht durcheinander. Also,
es ist einfach so, dass wir dich brauchen. Und dann, wenn von oben her alles
klar ist, dann gehst du auf deine Alm und der Angermayer übernimmt,
versprochen. Einverstanden?«
    »Und dafür bist jetzt extra hier rausg’fahrn?«
    »Natürlich auch, weil’s so schön ist bei euch hier unten. Ein
Panorama habt ihr hier, mein lieber Scholli! Ihr lebt schon in einer ganz
eigenen Welt. Man denkt, auf diesem Flecken Erde kann gar nichts Böses
passieren.«
    »Schön wär’s. Aber dann müssten wir hier irgendwie bessere Menschen
sein. Wir Berchtesgadener sind vielleicht wirklich ein bisschen eigenwillig und
sehr verwurzelt mit unserer kleinen Heimatwelt. Aber bessere Menschen sind wir
deshalb auch nicht.«
    »Nicht? Schad!«
    »Jetzt wirst du schon wieder frech, Manfred, und nimmst mich hier
ganz schön auf den Arm mit deiner Berchtesgaden-Lobhudelei. Wegen der Schönheit
bist bestimmt nicht gekommen.«
    Leni Morgenroth sieht hinauf zum Göll. Und Manfred Hofer quetscht
seine Daumen hinter dem Rücken in seine Fäuste, damit sie endlich anbeißt.
    »Andererseits«, sagt sie, »wenn der da droben liegt, anschaun kann
ich ihn mir ja mal, und die Höhle … Dass sich da in den Trichter überhaupt
jemand reintraut. Der Angermayer ist doch Niederbayer. Wahrscheinlich kriegt
der schon die Höhenangst, wenn er bloß da raufschaut.«
    »Eben«, sagt Hofer und reibt sich seine gequetschten Daumen.

Kiew, 3. Mai 2010
    »Brannenburg, sehen Sie, da gibt es einen Berg, der heißt Wendelstein.
Das ist aber nicht der Berg, der auf der Karte eingezeichnet ist.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil er nicht so hoch ist. Tausendachthundert Meter. Der Berg auf
der Karte ist mit zweitausendfünfhundert angegeben. Da steht ein Name, aber ich
kann ihn nicht lesen. Sie vielleicht?«
    »Hm, das könnte Gell heißen. Gibt es einen Berg dort in den Alpen,
der so heißt?«
    »Moment, ich gebe das mal ein. Nein, Fehlanzeige. Da ist etwas wie
ein Schacht eingezeichnet, in den Berg hinein. Ein Tunnel oder eine Höhle.«
    »Und was soll das hier sein? Sieht aus wie ein Haus, das auf einem
Berg oben steht.«
    »Ja, nur beschriftet ist es nicht. Oder es ist so verblichen, dass
man nichts mehr erkennen kann. Das kann Deutschland oder Österreich sein, hier
ist die Grenze. Aber während des Kriegs war das ja alles eines, ein ›Deutsches
Reich‹. Hat Alexej Ihnen eigentlich nichts gesagt oder erklärt zu dieser
Karte?«
    »Er war schon tot, als ich sie bekam. Ich habe die Karte von seiner
Frau Mila.«
    »Dann müsste sie doch etwas wissen. Hat er ihr nichts erzählt, bevor
er starb?«
    »Sie hat jedenfalls nichts zu mir gesagt.«
    Luba denkt an den Besuch bei Mila, wie sie ihr die Hand gehalten hat
und dass sie nicht viel Zeit hatten, weil Wiktor draußen vor dem Haus auf sie
wartete.
    »Dann müssen Sie sie eben danach fragen. Können Sie noch einmal
hinfahren und sie besuchen? Bekommen Sie dafür eine Genehmigung?«
    »Ich kann es versuchen.«
    »Sagen Sie, Sie bringen Medikamente, auf die jemand dringend wartet.
Notfalls müssen wir da ein bisschen nachhelfen. Oder wir lassen es gleich hier
über die Stiftung laufen. Dass wir da noch einige Dinge klären müssen wegen
einer Entschädigungszahlung, ob die nun rechtmäßig erfolgt ist oder nicht.«
    »Haben Sie ›wir‹ gesagt? Habe ich das richtig gehört?«
    »Na, das wäre doch besser, wenn ich als Historikerin die alte Frau
befragen könnte. Ich weiß mit ihren Informationen vielleicht eher etwas
anzufangen als Sie.«
    »Und wie soll ich mir das praktisch vorstellen?«
    »Praktisch? Sie vorne auf Ihrem Motorrad, ich hintendrauf.«
    Bevor Luba abends nach Hause fährt, hinaus in die Vorstadt, macht
sie einen Abstecher ins Café Maxim. Es liegt etwas versteckt in einer
Seitengasse am Andreassteig, unterhalb der Sophien-Kathedrale.
    Das Lokal ist ziemlich voll. Touristen sind hier, wahrscheinlich
haben sie den Namen des Cafés in ihren Reiseführern gelesen, in denen es fast
immer als das Café mit den leckersten Kuchen Kiews, wenn nicht der Ukraine
beschrieben wird. Tatsache ist, dass es sich beim Maxim um eine skurrile Mischung
aus Wiener Kaffeehaus und Pariser Café handelt. Dunkles Holz und rote

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